Flüchtlinge in der Warteschleife

Grüne und Flüchtlingsrat kritisieren Ausländerpolitik des Senats. Andere Länder wie Bayern und Hamburg würden neue Bleiberechtsregelung zügiger umsetzen. Antragsverfahren zu kompliziert

von PLUTONIA PLARRE

Der Abgeordnete Benedikt Lux (Grüne) zeigt seine Enttäuschung über die Flüchtlingspolitik des Senats ganz offen: „Wenn wir in Berlin schon eine linke Regierung haben, dann muss diese auch mehr tun als andere.“ Die Kritik, die Grüne und Flüchtlingsrat gestern gleichermaßen im parlamentarischen Innenausschuss erhoben, war vor allem an Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gerichtet. Körting habe sich auf der Innenministerkonferenz (IMK) zwar für eine humane Bleiberechtsregelung stark gemacht, aber bei der Umsetzung des Beschlusses vom 17. November 2006 falle Berlin weit hinter andere Bundesländer zurück, so der Vorwurf. Selbst das CSU-regierte Bayern sei weiter.

Auf Antrag der Grünen beschäftigte sich gestern der Innenausschuss mit der Berliner Praxis. „Rund 4.000 Personen erfüllen in Berlin die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Bleiberechts“, sagte die Leiterin der Ausländerbehörde, Claudia Lange-Heine. Von diesen hätten bislang rund 1.680 Personen einen Antrag gestellt. 24 Anträge seien positiv beschieden worden, 109 negativ, der Rest befinde sich in Bearbeitung. Um die Antragsflut bewältigen zu können, sei eine aus sechs Mitarbeitern bestehende „Task Force“ eingerichtet worden, so Lange-Heine.

Der IMK Beschluss sieht vor, dass Ausländern, die sich seit 1998 beziehungsweise 2000 in der Bundesrepublik befinden, ein Bleiberecht gewährt werden kann, wenn sie hier wirtschaftlich und sozial integriert sind. Im Klartext: Die Erteilung des dauerhaften Aufenthaltstitels wird vom Vorhandensein eines Arbeitsplatzes abhängig gemacht. Hat der Antragsteller gegenwärtig keinen Job, gibt es eine Übergangsfrist bis zum 30. September, in der ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden muss.

Grüne und Flüchtlingsrat zeigten sich über die geringe Zahl der positiven Bescheide befremdet. Bayern, Hamburg und Bremen hätten bereits jeweils an die 100 Aufenthaltstitel erteilt, so der Grünen-Fraktionschef, Volker Ratzmann. Angesichts der positiven Rolle, die Körting bei der Vorbereitung des IMK-Beschlusses gespielt habe, sei die Berliner Praxis „sehr ernüchternd“, befand Berenia Böhlo, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats. Die in den Innenausschuss geladene Expertin verwies darauf, dass Hamburg und Rheinland-Pfalz wesentlich mehr täten, um der Behörde, den Antragstellern und den potenziellen Arbeitgebern das Verfahren zu erleichtern.

Laut Flüchtlingsrat verzögert sich das Prozedere in Berlin vor allem dadurch, dass die Ausländerbehörde auf den Nachweis von Pässen oder Ausweis-Ersatzdokumenten besteht. Die Flüchtlinge erhielten von der Behörde nur eine unverbindliche Bescheinigung über ihren Antrag zur Vorlage bei der Botschaft. Diese reiche aber meist nicht aus, um einen Pass zu erhalten. Außerdem werde in dem „Hinweisblatt für Arbeitgeber“ nicht darauf aufmerksam gemacht, dass die sogenannte Vorrangprüfung entfalle. Das heißt, es muss nicht mehr nachgewiesen werden, dass kein Deutscher, EU-Ausländer oder Ausländer mit festem Aufenthaltsstatus für die Arbeitsstelle zur Verfügung steht.

Unter dem Motto „100 Tage und kein Bleiberecht“ ruft der Flüchtlingsrat zu einer Kundgebung am Samstag zwischen 11 und 13 Uhr am Pariser Platz auf