Heroin soll weiterhelfen

Senat will die geplante Bundesratsinitiative von Hamburg unterstützen: Schwerstabhängige, bei denen Methadon in der Entzugstherapie nicht greift, sollen sogenanntes Diamorphin erhalten

Von Nadine Kleber

Geld muss her. Viel mehr, als man mit normaler Arbeit verdienen könnte. Denn immer ist der Druck da, die Gier nach dem nächsten Schuss, der das Leben für ein paar Stunden erträglich macht, beruhigt, Sicherheit gibt. Heroin muss her. Bei vielen jeden Tag.

Für einige von ihnen muss Heroin auch im Rahmen einer Entzugstherapie her – bei Schwerstabhängigen, wo Methadon als Ersatzdroge nicht funktioniert. Nun will sich auch der Senat stark machen, damit diesen Patienten auch in Berlin geholfen werden kann.

Seit fünf Jahren existiert ein Modellprojekt in verschiedenen Städten Deutschlands. In Bonn, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München wird unter medizinischer Aufsicht und nach ausführlicher Voruntersuchung und -auswahl der Patienten synthetisch hergestelltes Heroin, sogenanntes Diamorphin verabreicht. Anstelle von Methadon soll es die Entzugserscheinungen bekämpfen (s. Interview). Ende Juni sollte es auslaufen, doch nach Druck auf die Politik kann es nun, zumindest in Hamburg, weitergeführt werden. Mit dem Projekt wurde bisher 1.015 Patienten geholfen.

„Die Ergebnisse der Heroinstudie sind überzeugend“, sagte Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher der taz. Es sei bei dem Modellprojekt deutlich geworden, dass die ärztliche Verschreibung von Heroin für eine kleine Gruppe von Schwerstabhängigen eine wirksame Behandlungsalternative darstellt. „Sollte Hamburg eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes starten, werde ich diese in jedem Fall unterstützen.“ Denn für eine bundesweite Zulassung der neuen Therapie wäre eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes auf Bundesebene nötig. Dagegen sperrt sich die CDU.

Etwa 12.000 bis 13.000 Drogenabhängige gibt es nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung in Berlin. „Erfasst werden allerdings nur diejenigen, die im Hilfssystem aufgelaufen sind“, erklärt Wojak. Die Dunkelziffer wird auf bis zu 15.000 geschätzt. Im vergangenen Jahr starben 173 an den Folgen des Drogenkonsums.

In Berlin werden zurzeit rund 3.700 Menschen in einem dreijährigen Programm mit der Ersatzdroge Methadon behandelt. Bei 250 bis 300 schwerstabhängigen Menschen habe Methadon keinen Erfolg, erläutert Monika Wojak vom Referat Drogen und Sucht der Senatsgesundheitsverwaltung.

Berlin hatte sich damals nicht an dem Modellprojekt beteiligt, so Wojak, wegen der prekären finanziellen Lage der Hauptstadt. Kosten in Höhe von rund 3,3 Millionen Mark wären auf Berlin zugekommen. Doch nicht nur das Finanzielle stand einer Teilnahme Berlins an dem Projekt im Wege. Bei der Studie, so ließ 2001 der Senat verlauten, sei „die Beteiligung einer weiteren Großstadt nicht erforderlich“.

Aufgrund der Gesetzeslage dürfen Heroinabhängige bisher nur mit Ersatzstoffen (Substituten) wie Methadon, Palamidon oder Codein versorgt werden. Kann mit diesen Stoffen nicht geholfen werden, droht den Patienten, die dann nicht selten wieder auf der Straße landen, erneut die Gefahr der sozialen Verelendung, des Erwerbs von Krankheiten oder gar der Tod. „Jeder Behandlungsversuch“, sagt Bernd Westermann vom Drogennotdienst Berlin, „ist besser als gar keine Behandlung.“