Brandenburg macht eigene Rechnung

Nach dem Ausscheiden von Gisela von der Aue aus dem Landesrechnungshof Brandenburg bestehen SPD-Regierung und PDS und CDU auf einem juristisch riskanten Planspiel um ihre Nachfolge. Grüne: Rechtsbruch

„Die Postenverteilung kommt einem kalkulierten Rechtsbruch gleich“

Gisela von der Aue spielt derzeit gleich auf zwei politischen Bühnen eine Hauptrolle. Während die Justizsenatorin in Berlin für ein Medikamentendrama im Strafvollzug und um die Personalie ihres abgesetzten Staatssekretärs Erklärungen suchen muss, spielt sich im Nachbarland Brandenburg eine bizarre Politposse um ihre Nachfolge ab.

Bis zur Berufung von der Aues nach Berlin saß die SPD-Frau dem Brandenburgischen Landesrechnungshof vor. Neben der Präsidentenstelle ist dort jetzt ein weiterer Direktorenposten zu besetzen. Der Vorschlag des Brandenburger Parlaments sieht so aus: Präsidentin soll die SPD-Landtagsabgeordnete Britta Stark werden. Doch für die Wahl müssen auch die Oppositionsparteien erwärmt werden. Denn mit Haushaltskontrolle hatte die profilierte Innenpolitikerin und Rechtsextremismusexpertin bisher wenig zu tun hatte.

Also darf die Linkspartei ihre Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses Kerstin Osten für den freien Direktorenposten des Rechnungshofes benennen. Und auch die CDU soll befriedet werden: Anfang 2008 scheidet ein weiteres Mitglied der Kontrollinstanz über die Landesfinanzen aus Altersgründen aus. Dann dürfen die Christdemokraten jemanden nominieren. Einen Personalvorschlag hat die CDU noch nicht unterbreitet. Die Mitglieder des Hofes wer- den durch den Landtag mit einfacher Mehrheit gewählt.

Was andernorts als unschöne Rochade durchgehen würde, ist in Brandenburg bereits vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Denn die Gründungsväter des jungen Bundeslandes wollten genau den Fall ausschließen, dass ausgedienten Politikern statt Fachleuten die Kontrolle der Landesfinanzen in die Hand gelegt wird.

Deshalb haben sie 1991 in das Rechnungshofgesetz geschrieben, ein Drittel der Direktorenposten, darunter entweder der Präsident des Hofes oder sein Vizepräsident, sollen Volljuristen sein. Bei sieben Direktorenposten heißt das: Zwei Volljuristen. Mit dem Ausscheiden der Volljuristin Gisela von der Aue gehört dem Landesrechnungshof allerdings kein Mitglied mehr mit der geforderten Qualifikation an. Ihr ehemaliger Stellvertreter, der Volljurist Arnulf Hülsmann, ist wegen eines anhängigen Gerichtsverfahrens seit fast vier Jahren vom Dienst suspendiert. Ob und wann er zurückkehrt, ist nicht abzusehen. Die von SPD und Linkspartei nominierten Politikerinnen besitzen beide nicht die geforderte Qualifikation.

Hingegen gibt es mehrere Bewerber um die freien Posten, die die Qualifikationsmerkmale erfüllen – allerdings nicht aus der Politik kommen. Aus Sicht von SPD, CDU und PDS soll die Lösung des Problems darin bestehen, dass die CDU im Januar einen Volljuristen für den dann zusätzlich frei werdenden Direktorenposten benennt. Dass damit über Monate ein rechtloser Zustand eintreten würde, bestreiten die Landtagsfraktionen. Um ganz sicherzugehen, wollen sie aber, so eine Sprecherin der Landtagsverwaltung gegenüber der taz, ein Rechtsgutachten in Auftrag geben. Das werde in den nächsten Tagen geschehen.

Kritik kommt von den Grünen, die in Brandenburg nicht im Parlament sitzen. „Der Landtag sollte auch ohne Gutachter in der Lage sein, selbst verabschiedete Gesetze zu lesen und zu interpretieren“, kritisiert ihr Parteichef Axel Vogel. „Die von diesem Parteienkartell ausgeheckte Postenverteilung kommt einem kalkulierten Rechtsbruch gleich.“ Wenn Parlamentarier und Spitzenpolitiker sich nicht mehr um die eigenen Landesgesetze scherten, sagt Vogel, so sei das ein verheerendes Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Das Verwaltungsgericht Potsdam, so erklärt Vogel weiter, hätte auf die Klage eines qualifizierten Mitbewerbers das Nominierungsverfahren bereits im Dezember gestoppt und jetzt ein „maßgeblich politisch motiviertes Stellenbesetzungsverfahren“ als nicht statthaft erklärt. Marina Mai