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: Vielerlei Grau: Kinder- und Jugendbücher über Tod, Trauer und Tröstung

Menschen, die traurig sind, beschreiben ihr Gefühl oft als grau. Nicht als schwarz, welches für Beerdigungen immer noch obligatorisch ist – schwarz ist nur der erste Moment der Bestürzung. Aber wenn die Trauer lange andauert, dann weicht die Intensität des Schwarz und ein Schleier legt sich auf die Empfindungen. Die Trauer, die nicht vergehen will, führt in eine Welt, aus der alle Farben entwichen sind. Und so kennt „Mein trauriges Buch“ vielerlei Grau. Es erzählt von einem Mann, dessen Sohn gestorben ist, und die Traurigkeit darüber ist so umfassend, dass sie alles verschlingt. Grau ist der Mann und grau ist die Welt, nur die Erinnerungen an Eddie sind bunt. Aber der Mann ist nicht nur traurig, er ist auch wütend über das, was passiert ist. Und er versucht sich zu helfen, indem er ein Gedicht schreibt oder einer Freundin von seiner Trauer erzählt – das erleichtert, erlöst ihn aber nicht von seinem Schmerz. Was für ein ehrliches Buch, das darauf verzichtet, das Radikale dieser Trauer wegtrösten zu wollen, und das auf den Tisch neben die Kerze einen Hammer legt.

Nur selten gelingt es Kinderbüchern, die vom Tod handeln, die Dinge so genau beim Namen zu nennen. In „Kapitän Seebärs letzte Reise“, einem Erstleser-Buch, das auf dem Cover mit dem Slogan „frech, lustig, spannend“ wirbt, hinterlässt der Opa nach seinem Tod nicht nur einen schnell verwildernden Garten, sondern auch eine unvollendete Piraten-Geschichte. Der Enkel wird lernen, sie selbst weiterzuerzählen, und er wird in dem Garten eine neue Freundschaft schließen. Zielstrebig manövriert das Buch Richtung Hoffnung und dagegen ist auch nicht einzuwenden – außer dass sich die Trauer im echten Leben nicht so einfach zähmen lässt.

Aber das Grenzenlose der Trauer soll im Zaum gehalten werden und man fragt sich, ob das wirklich zum Schutz der Kinder oder eher zum Schutz der Erwachsenen ist. Die Zeichnerin Isabel Pin hingegen hat für dieses Ausufernde in „Opa, ich kann Hummeln zähmen“ eine Sprache gefunden: Auf ihren Bildern herrscht eine Leere, wie sie der gestorbene Opa hinterlässt. Auch dieser Opa hatte einen Garten und dachte sich Geschichten aus. Darunter eine über einen Nachthimmel voller Löcher, durch welche die Verstorbenen auf die Erde schauen – und natürlich findet der kleine Jori dort auch seinen Opa-Stern.

Aber so gut gehen Trost und Ehrlichkeit nicht immer zusammen. „Wann kommst du wieder; Mama?“ vertraut eher auf die Therapie als auf die Kraft der Geschichte. Es ist angelegt wie eine Gedankenreise, in welcher der Leser vom „Wunderland“ des heilen Lebens ins „Krebsland“ reist. Es wird viel erklärt, und am Ende weiß man, wie eine Chemotherapie funktioniert und warum es für den Vater schwer ist, mit seiner Tochter über die kranke Mutter zu sprechen. Das ist vernünftig gedacht – zu vernünftig, um den unvernünftigen Gefühlen gerecht zu werden.

Ganz anders das neue Bilderbuch von Wolf Erlbruch. Da begegnet die Ente dem leibhaftigen Tod und freundet sich mit ihm an. Für eine Zeitlang ist die dunkelrote Tulpe, die der Tod bei sich trägt, aus den Bildern verschwunden. Aber natürlich nur für eine Zeitlang, denn der Tod siegt immer, auch wenn der Leser sich gerade erst an die gemeinsamen Unternehmungen von Ente und Tod gewöhnt hat. Ein Trugschluss, sich sicher zu wähnen. Und so ist das Ende wie der Tod: gemein und ungerecht. ANGELIKA OHLAND

Michael Rosen, Quentin Blake: „Mein trauriges Buch“. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 15,50 EuroMonika Feth, Isabel Pin: „Opa, ich kann Hummeln zähmen“. Sauerländer, Düsseldorf, 32 Seiten, 13,90 EuroMartin Hennuy, Sophie Buyse, Lisbeth Renardy: „Wann kommst du wieder, Mama?“ Patmos, Düsseldorf, 13,90 EuroAnnette Herzog: „Kapitän Seebärs letzte Reise“. Ueberreuter, Wien, 78 Seiten, 6,95 EuroWolf Erlbruch: „Ente, Tod und Tulpe“. Antje Kunstmann, München, 14,90 Euro