Schulkompromiss eingetütet

SPD und CDU einigen sich auf Zwei-Säulen-Modell, das die Gymnasien verschont. Neue Stadtteilschule soll im August 2009 starten. GAL warnt vor stärkerer Auslese und sozialer Spaltung

Von Kaija Kutter

Klar war die Sache bereits, kurz nachdem die zweitägige Abschlusssitzung der Schulenquete-Kommission begonnen hatte. „Es sieht so aus, als ob der historische Kompromiss doch kommt“, raunte CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann, nachdem sich seine Partei mit der SPD auf eine Formel für Hamburgs Gymnasien geeinigt hatte. Diese „können“ sich „im Einzelfall“ zu Stadtteilschulen entwickeln, „wenn das die Schulkonferenz beschließt“. In dem Positionspapier der SPD-Gruppe hatte es dagegen zuletzt geheißen, Gymnasien „sollen“ sich zu Stadtteilschulen entwickeln. „Dieses ‚sollen‘ war nicht als ‚müssen‘ verstanden, sondern als ‚können‘“, versuchte Britta Ernst, SPD-Obfrau in der Kommission, die Verwirrung zum Abschluss vor der Presse zu erklären. Es sei seit mehreren Monaten SPD-Position, dass man den Gymnasien die „Perspektive Stadtteilschule eröffnen“ wolle, sie diesen Schritt aber eben nicht gehen „müssen“.

Nachdem dieser Stein aus dem Weg geräumt war, stimmten SPD und CDU offenbar in vielen Punkten überein: Ab dem 1. August 2009, so die gemeinsame Empfehlung, soll ein neues Schulsystem starten, dass alle Gesamtschulen, Haupt- und Realschulen zu einer „Stadtteilschule“ zusammenfasst. Dies soll mehr sein als ein bloßer Namenstausch: Auf „dauerhafte äußere Differenzierung“ in H- oder R-Klassen, A- oder B-Kurse soll verzichtet und vielmehr individuell gefördert werden. Eher als 2009 sei die Umstellung nicht machbar, sagt Heinemann. Denn es müsse erst eine regionale Planung geben, die sicherstellt, dass jede Stadtteilschule Zugang zu einer Oberstufe hat. Die SPD würde gern schon 2008 auf reine Hauptschulklassen verzichten. Heinemann fürchtete bei diesem isolierten Schritt aber Proteste von Realschuleltern.

Keine Übereinstimmung gibt es in der langfristigen Perspektive: Während die CDU und die drei von der SPD ernannten Experten die zwei Säulen wollen, stimmten die SPD-Abgeordneten zusammen mit der GAL für das Ziel einer „Schule für alle“. Anlass für Heinemann, schon mal Wahlkampf zu machen und zu frotzeln, nur mit der CDU sei „sichergestellt, dass das Zwei-Säulen-Modell wirklich kommt“. Dies könnten Eltern auch als Drohung verstehen, denn das Modell hat seine Schattenseiten.

So bekommt jedes Kind weiterhin in Klasse 4 eine Grundschulempfehlung. Dafür werden „kompetenzorientierte Tests“ eingeführt. Die SPD-Abgeordneten votierten mit der GAL für die Abschaffung dieser Empfehlung, die drei SPD-Experten dagegen stimmten mit der CDU für ihren Bestand. Nach Klasse 6 soll die Zeugniskonferenz über den Verbleib am Gymnasium entscheiden. In der Kommission wurde offenbar mit großen Rückläuferzahlen gerechnet. Heißt es doch im Abschlusspapier, diese Kinder sollten „nach Möglichkeit“ in bestehende Klassen der Stadtteilschule integriert werden.

Die GAL-Politikerin Christa Goetsch sieht in diesen Sortiermechanismen ein ernstes Problem: „Es wird eine noch schärfere Auslese geben“, sagt sie. „Auf dem Gymnasium bleiben nur die schnellen Lerner und die, die sich Nachhilfe leisten können.“ Die Stadtteilschule solle zwar besser ausgestattet werden, erhalte dafür aber einen hohen Anteil sozial schwächerer Schüler.

Goetsch, deren Minderheitenvotum in der offiziellen Pressemitteilung nicht erwähnt wird, fordert eine Schule, deren Kraft nicht „durchs Sortieren verloren geht“. Weshalb ihr Heinemann vorhielt, sich „nicht einen Millimeter bewegt“ zu haben.

Die Empfehlungen der Kommission sind nicht bindend für den Senat – aber für die Beteiligten: Egal, wer die nächste Wahl gewinnt, dürfte keine der drei Fraktionen hinter den Stand, 2009 die Hauptschule abzuschaffen, zurückfallen. Spannend wird es, falls der nächste Senat ein rot-grüner ist: Ob sie das von der Enquete-Mehrheit empfohlene Modell mittragen würde, wurde Goetsch gestern gefragt. Das werde, so ihre Antwort, „im Rahmen von Koalitionsverhandlungen besprochen“.