Die Schule, die sich was traut

Die private Freie Montessori Schule in Köpenick will als erste Schule Berlins Gemeinschaftsschule werden, gefördert vom Senat. Verändern würde sich für Lehrer und Schüler vergleichsweise wenig

VON ALKE WIERTH

„Das soll eine Schule sein?“ Eine kleine Besucherin hat ernsthafte Zweifel an dem, was ihre Mutter da behauptet. Verwundert steht sie in einem Klassenzimmer der „Freien Montessori Schule“ in Köpenick. Halbkreisförmige Sitzbänke im Terrassenstil eines römischen Theaters erheben sich in einer Ecke des Raumes. Auch Stühle und Tische gibt es. Doch anders als in gewöhnlichen Klassenzimmern fehlen Tafel und Lehrerpult. SchülerInnen der ersten bis dritten Klasse lernen hier gemeinsam – zu sagen, sie würden unterrichtet, wäre falsch. Denn an dieser Schule entscheiden die Kinder selbst, was sie wann lernen möchten.

Seit 2004 gibt es die Freie Montessori Schule tief im Osten, nahe dem Großen Müggelsee. Am Samstag lud sie zum Tag der offenen Tür – nicht nur um Interessierten ihr pädagogisches Konzept vorzuführen, sondern auch um ihre Eignung für den vom Senat geplanten Modellversuch Gemeinschaftsschule zu demonstrieren. Die Privatschule ist die erste Schule in Berlin, die von der vorschulischen Betreuung im Kinderhaus bis zur Oberschule ein Komplettangebot in Montessori-Pädagogik vorsieht.

Entstanden ist sie durch Elterninitiative, und bis heute lebt sie davon. Von der Renovierung des Gebäudes bis zum Basteln der aufwendigen Lernmaterialien arbeiten die Eltern mit: Ein Einsatz von zwei Stunden pro Monat pro Kind wird neben der Zahlung des Schulgelds erwartet. Ein Platz an der Grundschule kostet derzeit 147 Euro im Monat, ein Oberschulplatz 227 Euro. Zusätzlich gibt es eine einmalige Aufnahmegebühr von 500 Euro.

„Zehn Stunden mindestens“ arbeite sie monatlich in der oder für die Schule, sagt eine Mutter nach kurzem Überlegen. „Und das tue ich gern“, fügt sie hinzu. Zwei Kinder hat sie an der privaten Schule. Der Älteste hatte zuvor zunächst eine staatliche Grundschule besucht. Wie richtig die Entscheidung für die private Montessori-Schule gewesen sei, merke sie ihren Kindern täglich an, sagt die Mutter, die dafür von Steglitz nach Köpenick gezogen ist. Dass bisher noch gar nicht klar ist, welchen Abschluss die beiden später an der Schule erreichen können, stört sie wenig: Wichtiger sei, dass die Kinder etwas lernten. „Abschlüsse sagen dabei wenig aus“, meint die Frau, die selbst an einer Hochschule unterrichtet.

Derzeit hat die Oberschule der Freien Montessori Schule erst die Klassen 7 bis 9 und nur 27 SchülerInnen. Fast alle kommen von der eigenen oder von anderen Montessori-Grundschulen. Man sei „auch für Quereinsteiger offen“, sagt Lehrer Jürgen Eden. Doch wer sechs Grundschuljahre nach anderen pädagogischen Ansätzen gelernt habe, dem falle die Umstellung auf die Montessori-Methode nicht immer leicht. „Wir hatten Schüler, deren ganzer Ehrgeiz nach acht Jahren Regelschule darin bestand, sich so viel wie möglich zu drücken.“ Selbstständiges Arbeiten, zu dem der Montessori-Ansatz motiviert, hatten sie nie gelernt.

Noch wirken die Oberschulräume karger und unwohnlicher als die der Grundschule. Ihre Arbeitsplätze haben die Älteren selbst gestaltet, die Tische selbst gebaut. Doch es fehlt noch an Farbe und Lernmaterial – ein einsames Skelett in der Ecke trägt kaum zur Gemütlichkeit bei. Ob und wie es mit der Oberschule weitergeht, hängt von ihrem pädagogischen Erfolg ab, aber nicht zuletzt auch von Geld.

Aus beiden Gründen ist die Freie Montessori Schule daran interessiert, am Modellprojekt Gemeinschaftsschule teilzunehmen. „Gemeinsames Lernen ist ja ein Grundprinzip unseres Konzeptes“, sagt Gabi Dietrich, Geschäftsführerin der Schule. Zurzeit ist die Oberschule als Gesamtschule konzipiert. Doch auf die damit verbundene Aufteilung der Schüler nach Leistung würden die Montessori-Pädagogen lieber verzichten. Die Gemeinschaftsschule würde das ermöglichen, und die angestrebte Einführung einer Oberstufe, die zum Abitur führt, erleichtern.

Dass auch die damit verbundene finanzielle Förderung einen Anreiz bietet, Gemeinschaftsschule zu werden, daraus machen Lehrer Eden und Geschäftsführerin Dietrich keinen Hehl. Bisher bekommt nur die Grundschule finanzielle Unterstützung vom Senat, in Höhe von 75 Prozent der Kosten. Die Förderung der Oberschule beginnt frühestens im Sommer. Wie hoch sie ausfallen wird, ist noch unklar. Mehr Geld könnte auch ermöglichen, mehr SchülerInnen aufzunehmen. Auf einen Platz an der Freien Montessori Schule kommen fünf Bewerbungen.