Die heilsame Wirkung der Wildnis

Problemkinder ins Camp? In den USA ist das nicht ungewöhnlich. Vielleicht hat die NRW-CDU zu viel RTL geguckt

Sie dürfen nicht trinken. Nicht rauchen. Nicht knutschen. 4,2 Millionen Zuschauer sahen am vergangenen Mittwoch sechs jungen Menschen dabei zu, wie sie sich in der Wüste Utahs auf den Weg vom Problem-Teenie zum verantwortungsvollen Erwachsenen machten. „Outdoor-Therapie“ nennt sich das, was der Kölner Fernsehsender RTL in der Doku-Soap „Teenager außer Kontrolle“ verfilmt hat. Wenn die nordrhein-westfälische CDU zugeschaut hat, ist ihr vielleicht ein Licht aufgegangen: Mit Erziehungscamps lässt sich Quote machen – warum lassen sich dann nicht auch Wähler einfangen?

„Wir stellen ein großes Interesse der Bevölkerung an Erziehungs-Formaten fest“, sagt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer. Begonnen hat der Sender mit der „Super Nanny“, die Problemfamilien mit guten Ratschlägen zur Seite gestellt wurde. Beim neuen Format darf es ein bisschen härter zur Sache gehen. Nicht einmal miteinander sprechen dürfen die Kiffer und Schulschwänzer, die von einer Therapeutin durch harte Arbeit und die Auseinandersetzung mit der Wildnis resozialisiert werden sollen.

Was auf der „Turn-About-Ranch“ geschieht, erinnert auf den ersten Blick an so genannte Boot-Camps, die in den USA seit Jahrzehnten als letzter Ausweg für gescheiterte Kids gelten. Nach dem Vorbild der berüchtigten Ausbildungslager der Army wird den Jugendlichen dort mit militärischem Drill und zur Not auch mit Demütigungen zu Leibe gerückt – und die verzweifelten Eltern zahlen hohe Gebühren für die Einweisung ihres Nachwuchses.

Wird die neue Härte auch in Deutschland zum Trend? Anders als in den Boot-Camps soll im neuen RTL-Format nicht der Wille der Jugendlichen gebrochen werden. „Es geht weniger um Härte, sondern vielmehr um Disziplin und Respekt“, heißt es beschwichtigend beim Kölner Sender.

Auch das bisher einzige Erziehungscamp in der Bundesrepublik ist durch das Privatfernsehen berühmt geworden. Im nordhessischen Diemelstadt versucht Ex-Boxer Lothar Kannenberg, Jugendlichen mit Hilfe des Sports den Abbau ihrer Aggressionen zu erleichtern. RTL II machte das Experiment durch eine Serie mit dem reißerischen Titel „Das Erziehungscamp – Jugendliche kurz vor dem Knast“ bekannt. Leiter Kannenberg wurde für sein Konzept bereits im Jahr 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Auf Gegenliebe stoßen Erziehungslager auch in Frankreich: Als die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal vor einem Jahr vorschlug, straffällige Jugendliche in Internaten mit Militärbetreuern umzuerziehen, wurde sie zwar zunächst von Parteifreunden zurückgepfiffen – in der Bevölkerung stieß sie hingegen auf Begeisterung. So steht im Wahlprogramm: Erziehungscamps einrichten, bei Bedarf mit militärischem Personal.KLAUS JANSEN