Pauschalurteile helfen nicht

„Pionier des wissenschaftlichen Rassismus“, taz nord 22. 02. 2007

Zweifellos hat Exner, der selbst über keinerlei biologischen Kenntnisse verfügte und oft auch unkritisch die angeblichen „Erkenntnisse“ der „Rassenkunde“ seiner Zeit übernahm, eine wichtige und in Teilen womöglich fatale Rolle in der NS-Kriminologie gespielt. Neben der Anpassung gab es aber auch Widerständigkeit. Daraus ergeben sich Widersprüche, über die der Artikel hinwegschreibt. Zum Beispiel war Exner zugleich ein Kritiker des damals vorherrschenden biologischen Reduktionismus. An vielen Stellen seines Werkes warnte er vor vorschnellen Maßnahmen aufgrund ungesicherter Befunde. Nicht erwähnt wird im Artikel, dass er sich auf geradezu riskante Weise mit bissiger Kritik an dem Fehlen jeder Rechtsstaatlichkeit hervorwagte. Über die Intentionen Exners weiß man ebenso wenig wie über mögliche Paradoxien von Wollen und Wirkung. Pauschalurteile helfen da nicht weiter. Schurken haben sich ebenso auf Exners Werk berufen wie angesehene deutsche Exil-Kriminologen. Bislang konnte der Nachlass nicht ausgewertet werden. Der Finderin des Nachlasses und heutigen Doktorandin Doris Lorenz wird die groteske Aussage unterschoben, sie habe das Hauptwerk des Kriminologen aus Zeitmangel nicht zur Kenntnis genommen. Ich selbst habe oft genug mit ihr über Exners Hauptwerk gesprochen. Beeindruckt bin ich von ihrem Detailwissen ebenso wie von der Sorgfalt, mit der sie unter großen persönlichen Opfern den Nachlass einer fachkundigen Erschließung näher gebracht hat. PROF. DR. SEBASTIAN SCHEERER, HAMBURG