Darfur vor Gericht

VON DOMINIC JOHNSON

Erstmals hat gestern der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs die Aufnahme eines Verfahrens und die Ausstellung von Haftbefehlen wegen Kriegsverbrechen in Sudans umkämpfter Westregion Darfur beantragt. Exstaatssekretär Ahmad Muhammad Harun und Milizenführer Ali Kushayb werden in 51 Punkten Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter „Vergewaltigung, Mord, Verfolgung, Folter, Zwangsumsiedlung, Zerstörung von Eigentum, Plünderung, unmenschliche Akte, Angriffe auf die Menschenwürde, Angriffe gegen die Zivilbevölkerung und ungesetzliche Inhaftierung“.

Die 94-seitige Antrag zeichnet koordinierte Angriffe der sudanesischen Streitkräfte und der von Sudans Regierung aufgestellten Reitermiliz Janjaweed auf vier Gemeinden in West-Darfur nahe der Grenze zum Tschad 2003 bis 2004 nach: Kodoom, Bindisi, Mukjar und Arawala. Dabei seien zahlreiche Menschen getötet und vergewaltigt und Ortschaften zerstört worden (siehe unten). Der Antrag wirft Ahmad Harun und Ali Kushayb vor, „sich miteinander verbündet und mit anderen zusammengeschlossen zu haben, um das gemeinsame und rechtswidrige Ziel des Angriffs auf zivile Bevölkerungen in Darfur zu verfolgen“. Ali Harun, der bis 2003 Sudans Polizeireserve kommandierte, wurde im April 2003 zu Beginn des Darfur-Krieges Staatsminister im sudanesischen Innenministerium und leitete das Darfur Security Desk, das alle Aktivitäten der Sicherheitskräfte in den drei Darfur-Provinzen koordinierte. Ihm unterstanden die Sicherheitskomitees der Provinzen, in denen alle Sicherheitskräfte ihre Aktivitäten berieten.

„Harun war in der Lage, die Bemühungen und Aktivitäten aller Regierungsgremien zu koordinieren, die an der Aufstandsbekämpfung beteiligt waren, besonders die Rekrutierung, Finanzierung und Bewaffnung der Janjaweed“, so die Klageschrift. Bei einer Kundgebung im Juli 2003 habe Harun alle Völker, aus denen sich Darfurs Rebellen rekrutierten, als Kriegsziele bezeichnet und gesagt, man sei bereit, „drei Viertel von Darfur zu töten, damit ein Viertel leben kann“.

Ali Kushayb, ein traditioneller Führer aus der Provinz West-Darfur, war Janjaweed-Kommandeur der Provinz und laut Klageschrift persönlich führend an den geschilderten Angriffen beteiligt, die Janjaweed und Armee gemeinsam begingen. Er soll unter anderem eine Massenhinrichtung von 32 Männern im Ort Mukjar und eine Massenvergewaltigung im Dorf Arawala geleitet haben.

Chefankläger Luis Moreno-Ocampo hat sich auf diese zwei beschränkt, obwohl der UN-Sicherheitsrat dem Strafgerichtshof bei der Erteilung des Mandats für Darfur-Ermittlungen im März 2005 eine vertrauliche Liste von 51 Verantwortlichen für Kriegsverbrechen übergab. Weder Harun noch Kushayb hätten ohne Anordnung von oben so agieren können, wie in der Klageschrift beschrieben, kritisieren Menschenrechtler.

Ocampos Selbstbeschränkung ist dem Pragmatismus geschuldet. Der Krieg in Darfur dauert an und hat sich in den letzten Monaten verschärft, und Verfahren gegen die jetzigen Verantwortlichen wären chancenlos. Kushayb hingegen ist seit Ende November im Sudan in Haft, als Teil der auf Sparflamme gehaltenen sudanesischen Bemühungen, Kriegsverbrechen in Darfur selbst zu untersuchen und damit die Zuständigkeit der internationalen Justiz zurückzuweisen. Huran, seit 2006 Staatsminister für humanitäre Angelegenheiten, befindet sich zur medizinischen Behandlung in Jordanien.

Diese Umstände geben Hoffnung auf eine mögliche Auslieferung, obwohl Sudan die Zusammenarbeit mit Den Haag verweigert. „Das Gericht hat keine Zuständigkeit für Sudanesen“, sagte gestern Sudans Justizminister Mohamed Ali al-Mardi, und alle Beweise der Anklage seien „Lügen“.