Treibhausgase kommen unter die Erde

Bohrbeginn für unterirdische CO2-Lagerung: Wissenschaftler wollen im brandenburgischen Ketzin Klimagase deponieren. „Die Technik kommt zu spät“, sagen viele Experten. Greenpeace hält das kostspielige Verfahren für „absoluten Wahnsinn“

VON TARIK AHMIA

Vergraben war schon immer die einfachste Art der Müllentsorgung. Vielleicht ergeht es dem Treibhausgas Kohlendioxid bald auch so. Denn um den Klimawandel zu bremsen, wird in vielen Industrieländern daran geforscht, Kohlendioxid etwa aus den Abgasen von Kraftwerken zu filtern und unterirdisch zu lagern. Über die langfristigen Risiken und Auswirkungen ist jedoch kaum etwas bekannt. Das soll sich nun ändern.

Unter der Leitung des Geoforschungszentrums Potsdam begann gestern im brandenburgischen Ketzin die erste Probebohrung für Europas größten Untergrundspeicher für Kohlendioxid. In mehr als 700 Meter Tiefe sollen in den kommenden zwei Jahren 60.000 Tonnen durch drei Bohrlöcher in die Tiefe gepumpt werden. Gips und Tonschichten sollen das CO2 wie einen Deckel festhalten. Das 35-Millionen-Euro-Projekt wird von der Europäischen Union, dem Bund und Unternehmen aus acht europäischen Ländern finanziert.

„Was die Lagerung von CO2 betrifft, stecken wir noch völlig in den Anfängen“, sagt Peter Viebahn vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt in Stuttgart. „Ketzin wird uns Erkenntnisse darüber liefern, was genau im Untergrund durch die CO2-Lagerung passiert.“ Viebahn hat die Potenziale der Technologie analysiert und befürchtet, dass sie zumindest für Deutschland zu spät kommt. „Bis dahin werden von den 100 Gigawatt Kraftwerksleistung in Deutschland 60 Gigawatt erneuert – das meiste davon durch fossile Kraftwerke ohne CO2-Abscheidung.“ Großkraftwerke mit CO2-Abscheidung würden wahrscheinlich nicht vor 2020 ans Netz gehen.

Leergepumpte Öl- oder Erdgasfelder sind die vielversprechendsten Speicher für den Klimakiller. Fraglich ist jedoch, ob diese überhaupt in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Schon heute produzieren deutsche Kraftwerke 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr. „Das ist absoluter Wahnsinn – die Menge lässt sich nicht überwachen“, sagt die Geologin Gabriela von Goerne von Greenpeace.

Bei allen ungelösten wissenschaftlichen Problemen ist klar: Die unterirdische CO2-Speicherung wird teuer. „Die Forschungsliteratur spricht davon, dass der Strompreis um etwa 50 Prozent steigt“, sagt von Goerne. Auch der Klimaeffekt erscheint paradox. Denn um die CO2-Emissionen zu senken, muss mehr Kohle verbrannt werden. Um das CO2 aus den Abgasen herauszufiltern, muss 30 Prozent mehr Energie verbrannt werden. „Der Wirkungsgrad des Kraftwerks sinkt um ein Drittel“, sagt Peter Viebahn vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt.

„Die CO2-Speicherung ist ein Greenwash-Programm der Kohle-Industrie“, sagt Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. Sie diene als grünes Fähnchen für schmutzige Kohlekraftwerke, die in den nächsten 15 Jahren ans Netz gehen. „Es ist ein unverantwortliches Gerede, das uns den Weg hin zu erneuerbaren Energien unnötig erschwert“, so Kotting-Uhl zur taz.

Höhere Erwartungen hat die SPD: „CO2-Speicherung ist eine vielversprechende Technologie, die aber noch beweisen muss, dass sie zu konkurrenzfähigen Preisen funktioniert“, sagte Ulrich Kelber, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der taz. „Die SPD fordert, dass ab 2015 die ersten Kraftwerke mit CO2-Abscheidung ans Netz gehen und diese Technik für alle neuen Kraftwerke dann vorgeschrieben wird.“ Doch das halten Umweltschützer für zu kurz gedacht: „Wenn man jetzt auf Ökoenergien umstellt, brauchen wir keine CO2-Speicherung. Sonst geraten wir in eine Zwickmühle“, sagte Umweltschützerin Gabriela von Goerne.