Billiger geht’s nimmer

Kritik und Alternativen: Eine Diskussionsveranstaltung im Haus der Demokratie thematisierte den Umgang von Vereinen und freien Trägern mit 1-Euro-Jobs

1-Euro-Jobs haben sich zwar etabliert, doch umstritten sind sie weiterhin. Mehr als zwei Jahre nach ihrer Einführung gibt es bundesweit mehr als 1,3 Millionen dieser prekären Arbeitsverhältnisse, davon 33.000 allein in Berlin. Den Umgang von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Freien Trägern mit 1-Euro-Jobs thematisierte aus diesem Anlass am Dienstag eine Diskussionsveranstaltung im Haus der Demokratie.

Bernd Feiden vom Steglitzer Nachbarschaftshaus Wannseebahn wollte von 1-Euro-Jobs nicht wissen. „Viele unserer Vereinsmitglieder sind selber Hartz-IV-Empfänger. Würden wir selber 1-Euro-Jobs anbieten, wären wir Teil dieser Politik“, begründete Feiden seine vehemente Ablehnung. Für den Geschäftsführer der Grünen Liga Berlin, Stefan Richter, ist diese Haltung naiv. Seine Organisation beschäftigt zurzeit sieben 1-Euro-JobberInnen. Man habe sogar darum kämpfen müssen, in das Programm aufgenommen zu werden. Schließlich würden Jobcenter große Träger wie die Caritas bevorzugen, so Richter.

Damit stieß er allerdings auf heftigen Widerstand bei Solveig Koitz und Angelika Wernick. Beide arbeiten in der Berliner Kampagne gegen Hartz IV mit. Sie betonten, dass strukturelle Gewalt wie die Drohung mit Leistungskürzungen die Menschen in diese Jobs zwinge. Damit werde ein Niedriglohnsektor etabliert, der sich auch auf Menschen, die noch in Beschäftigungsverhältnissen stehen, auswirke.

Als Alternative stellten Koitz und Wernick ihr gemeinsam mit Gewerkschaften und Betroffenenverbänden erarbeitetes Modell vor. Dessen Kernpunkt ist der Ersatz der 1-Euro-Jobs durch sozialpflichtige Teilzeitarbeitsplätze. Die Vergütung soll mindestens 940 Euro monatlich, die Wochenarbeitszeit maximal 20 Stunden betragen. Stefan Richter von der Grünen Liga äußerte Kritik an der Höhe der Vergütung: Für seine Organisation sei das nicht bezahlbar.

Eher unter ging in der zugespitzten Debatte die Position von Frauke Hehl vom Verein Workstation e. V., der sich mit der Zukunft der Lohnarbeit befasst. Für Hehl beginnt die strukturelle Gewalt nicht erst bei den 1-Euro-Jobs, sondern bei der Lohnarbeit. Eine Alternative sieht sie im bedingungslosen Grundeinkommen. Bis dahin gehe Workstation pragmatisch mit den 1-Euro-Jobs um und nutze sie als eine Nische für Menschen, die sich nicht in Vollzeitjobs hineinbegeben können oder wollen.

Mittlerweile haben mehrere Vereine und Einrichtungen einen Aufruf verfasst, in dem sie die schnellstmögliche Umsetzung des Konzepts der Anti-Hartz-Initiative fordern. Initiiert hat das Schreiben das Filmfestival globale, das bei der Wahl seines Austragungsorts Einrichtungen den Vorzug gibt, die auf 1-Euro-JobberInnen verzichten.

PETER NOWAK