Politiker zeigen Flagge gegen Antisemitismus

Prominenz aus Politik, Kirchen und Verbänden zeigt sich beim „Solidaritäts- und Toleranzgebet“ für die Jüdische Kita in Charlottenburg. Nach dem versuchten Brandanschlag verspricht Bundeskanzlerin Merkel eine zähe Tätersuche

An den vier großformatigen Fotos mussten sie alle vorbei. Politiker, Gemeindemitglieder und Journalisten, die gestern zum Gebet in die Synagoge des Jüdischen Bildungszentrums kamen, passierten die Bilder der beschmierten Wände der Jüdischen Kita am Spandauer Damm. „Heil Hitler“, Hakenkreuze und SS-Runen waren darauf gesprüht. Deswegen waren sie hierher nach Wilmersdorf gekommen – und es waren viele.

Fünf Tage nach dem Anschlag Unbekannter auf die Jüdische Kita Gan-Israel in Charlottenburg drängte sich die Prominenz beim Toleranz- und Solidaritätsgebet in der Münsterschen Straße. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahm ebenso teil wie sein Berliner Amtskollege Ehrhart Körting (SPD), Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei), Grünen-Chefin Claudia Roth und der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Für die evangelische Landeskirche kam Pröpstin Friederike von Kirchbach, für die Türkische Gemeinde in Deutschland ihr Bundesvorsitzender Kenon Kolat.

Mit dieser großen Resonanz hatte Rabbi Yehuda Teichtal nicht von Anfang an gerechnet. In den ersten Tagen nach dem versuchten Brandanschlag in der Nacht zum Sonntag habe es „keine großen Reaktionen“ gegeben, rief der Gemeindechef der orthodoxen Vereinigung Chabad Lubawitsch in den voll besetzten Gebetssaal. Das war nun anders.

Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schickte gestern dem Kindergarten einen Brief und versprach: „Die Sicherheitsbehörden werden alles tun, um die Täter dingfest zu machen.“ Bislang hat die Polizei von den Tätern jedoch keine Spur.

Teichtal urteilte milde über den Hintergrund des Anschlags: Trotz aller Sorgen um die jüdischen Kinder wisse er, dass die dahinterstehende Gesinnung ein Phänomen „am Rand der Gesellschaft“ sei.

Alarmierter zeigte sich der Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe. Er forderte Schäuble und Körting auf, die Sicherheitskonzepte für jüdische Einrichtungen zu ändern. Erneut propagierte er seine Idee, jeder Befürworter eines „Schlussstrichs“ unter die Holocaust-Auseinandersetzung solle einmal mit einer Kippa durch deutsche Straßen laufen. „Diese Befürworter werden sich wundern.“ MATTHIAS LOHRE