Seit Pisa immer mehr Privateleven

Aber dem Institut der Wirtschaft sind 640.000 Schüler an privaten Einrichtungen noch zu wenig. Experten: Privatschulen müssen erst noch beweisen, dass sie besser sind

BERLIN taz ■ Seit Erhebung der Pisastudie ist die Zahl der Schüler an Privatschulen um 80.000 gestiegen. Das sind rund 15 Prozent mehr – und wiegt umso schwerer, als die Zahl der deutschen Schüler allgemein um 535.000 zurückgegangen ist. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft gestern erfreut mitgeteilt – und gleichzeitig die eigene Euphorie gedämpft. Das sei immer noch zu wenig, um Impulse für das deutsche Bildungssystem setzen zu können, sagte der Direktor des Instituts, Michael Hüther.

Hüther sieht das Konkurrenzpotenzial der privaten Schulen für staatliche bei weitem noch nicht ausgenutzt. Im OECD-Durchschnitt besuchen 15,1 Prozent der Schüler Privatschulen – in Deutschland sind es auch nach der Steigerung erst 6,7 Prozent der Schüler, das macht rund 640.000 Privatschüler. Das heißt: Das Schulwesen ist weiter fest in staatlicher Hand.

Hüther geht davon aus, dass Privatschulen durch autonome Entscheidungsmöglichkeiten über Budget und Personal Vorbild für staatliche Schulen sein könnten. Hüther sagte, die deutschen Privatschulen hätten bei der Pisa-Studie im Bereich Lesekompetenz deutlich bessere Ergebnisse als staatliche Schulen erzielt. Dies wird allerdings auch dadurch begünstigt, dass es nur sehr wenige private Hauptschulen gibt. Den 179.000 Privatgymnasiasten in der Sekundarstufe I stehen zum Beispiel nur 25.000 Hauptschüler an Privatschulen gegenüber.

„Man kann nur Vergleichbares mit Vergleichbarem vergleichen“, meint denn auch Ernst Rösner vom Deutschen Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund. Der Nachweis, dass an Privatschulen bessere Leistungen erzielt werden, müsse erst noch erbracht werden. Finnland als Pisa-Spitzenreiter habe gar keine Privatschulen. Eine ausgeprägte Privatschultradition können in Deutschland vor allem Bayern, Hamburg und Bremen aufweisen.

Dass sehr viele Förderschüler (16 Prozent) an Privatschulen unterrichtet werden, erklärt Rösner damit, dass die Elternklientel eine völlig andere sei als bei Hauptschülern: „Ob ein Kind behindert ist oder nicht, hat wenig mit der sozialen Herkunft zu tun.“ Das führt im Gegensatz zur Hauptschule zu einer sehr heterogenen Elternschicht, die die optimale Förderung des eigenen Nachwuchses anstrebt. Immerhin an einem Punkt ist sich Schulforscher Rösner mit Wirtschaftsforscher Hüther einig: Der Vorteil der Privatschulen sei, dass sie ihre Lehrer frei auswählen können. Allerdings müssten sie auf die gleichen Pauker zugreifen, da alle dasselbe Universitätssystem durchlaufen haben.

Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind für Privatschüler laut Sybille Volkholz vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller für Privatschüler nicht besser: „Unternehmen schauen eher darauf, wie engagiert die Schüler sind.“ Das sei ihnen wichtiger als die Frage, von welcher Schule die Absolventen kommen, sagte Volkholz, die Vorlesepaten organisiert – für private und öffentliche Schulen. MARTIN MÜLLER