Fahrkarte in die roten Zahlen

Das elektronische Ticketing-System der BVG gibt es nicht. Dafür hat es den Steuerzahler schon 13 Millionen Euro gekostet – Tendenz steigend. Verkehrsausschuss kritisiert BVG wegen Verschwendung und Konzeptionslosigkeit

Es wurde als technisches Wunderding des öffentlichen Nahverkehrs gepriesen – das elektronische Ticketing der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Der Hightechfahrschein sollte es den Kunden möglich machen, jede Fahrt individuell abzurechen. Geplant war die Fahrkarte der Zukunft samt Chip für den Bahnsteigszugang als Entfernungmesser sowie zur Abrechnung – kombiniert mit vielerlei zusätzlichen Serviceleistungen. Doch im Januar stoppte die BVG das anspruchsvolle Projekt. Gestern musste ihr Chef Andreas Sturmowski im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses einräumen, dass die BVG für den Flop 13 Millionen Euro öffentlicher Gelder verbrannt hat. Sie gingen für den „Feldversuch“ mit rund 20.000 „Testern“ zwischen 2000 und 2002 drauf. Die zusätzlichen Millionenbeträge für die teure Entwicklungsgruppe bezifferte Sturmowski nicht.

Das ist nicht der einzige Skandal. Hinzu kommt, dass die Verkehrsbetriebe BVG, S-Bahn und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) weder ein gemeinsames Konzept für ein Ticketing in der Tasche haben noch gewillt sind, dies zu realisieren – aus Kostengründen. Wie es mit der datengestützten Fahrkarte weitergeht, verriet der BVG-Chef gestern dann auch: nämlich – bis auf die Fahrkarte per Handy – gar nicht.

„Vielleicht ist es gut, dass nicht alles elektronisch geht“, motzte Jutta Matuschek (PDS) im Verkehrsausschuss dazu. Nach Ansicht der verkehrspolitischen Sprecherin der oppositionellen Grünen, Claudia Hämmerling, ist es unerträglich, dass die Verkehrsbetriebe trotz des kostenintensiven Fiaskos nicht alle Zahlen auf den Tisch legten.

Sie warf der BVG zugleich vor, teure Inforeisen unternommen zu haben, etwa nach Sydney während der Olympischen Spiele 2000. Statt mit einem E-Ticket-Konzept sei man mit leeren Händen zurückgekommen.

Auch Matuschek attackierte Sturmowski, der gemeinsam mit den Vertretern der S-Bahn und des VBB zeitweise dasaß, als wäre er beim Schwarzfahren erwischt worden. Nach Jahren der sogenannten Entwicklung sei unklar, „wie teuer, wie fälschungssicher, wie wirtschaftlich oder unwirtschaftlich, wie kundenfreundlich oder wie nutzbar“ der Chip werden könnte. Matuschek: „Das ist doch alles irgendwie Murks.“

Sturmowski verteidigte den Flop zwar nicht. Er hielt aber dagegen, dass der Feldversuch besser weitergeführt hätte werden sollen. Dann wäre man wohl zu klareren Ergebnissen gekommen. Den Ausstieg der S-Bahn aus dem Versuch bedauerte er. Ob statt der großen Lösung – E-Ticket für alle öffentlichen Verkehrsteilnehmer – nun die sogenannte kleine Lösung – etwa nur Chips für Dauerkunden – komme, ließ Sturmowski offen.

SPD-Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer stellte am Ende der turbulenten Sitzung fest: „Wir sind noch sehr weit entfernt vom elektronischen Ticketsystem.“ Sie forderte den landeseigenen Betrieb BVG auf, sich unverzüglich an die Einführung des Handytickets zu machen. Außerdem sollten die Verkehrspartner besser miteinander kooperieren. Junge-Reyer: „Wir brauchen jetzt Ergebnisse. So geht es nicht, dass jeder nur für sich arbeitet.“

ROLF LAUTENSCHLÄGER