Welker Lorbeer

Im Achtelfinal-Rückspiel trifft der FC Bayern heute auf Real Madrid. Mit dabei: Fabio Cannavaro. Der Verteidiger hat im Sommer groß aufgespielt, wurde zum Weltfußballer gewählt, doch jetzt läuft er seiner Form hinterher. Warum eigentlich?

AUS MADRID RALF ITZEL

Auf seiner Internetseite lässt er die herrlichen Momente der vergangenen Monate Revue passieren. Zunächst blitzt den Besucher auf www.fabiocannavaro.it der goldene Ball für Europas Fußballer des Jahres an. Den hat der Italiener im Dezember als erster Verteidiger seit Matthias Sammer 1996 bekommen. Nach einem Klick erscheint das Siegerfoto von Berlin: Lachend reckt der Kapitän der Nazionale auf den Schultern des Kollegen Gattuso den WM-Pokal nach oben.

Spätestens der Wechsel für 15 Millionen Euro von Juventus Turin zu Real Madrid brachten Fabio Cannavaro in aller Munde. Über kaum einen Fußballer wurde mehr berichtet. Mittlerweile allerdings wird über den sympathischen Neapolitaner mit dem Lausbubengesicht mehr Schlechtes als Gutes gesagt. Unter Spaniens Journalisten gilt es längst als Ungerechtigkeit, dass der 33-Jährige Talenten aus dem Real-Nachwuchs wie Paco Pavon den Platz wegnimmt. Cannavaro, wird kritisiert, laufe nur wegen seines Namens und Coach Fabio Capello auf. Die Sportzeitung Marca schrieb vor wenigen Tagen, dass der stets lächelnde und entspannte Weltmeister bei Los Angeles Galaxy weit besser aufgehoben wäre als bei Real. Denn Cannavaro spielt schlecht. Grottenschlecht.

Wenn er an den Ball kommt, halten die Fans im Bernabéu-Stadion die Luft an. Kerzen, Querschläger und ungeschickte Fouls sind zur Gewohnheit geworden. Neulich im Derby gegen Atletico wurde er vom Platz gestellt. Einmal stoppte er den schnellen Argentinier Agüero mit dem rausgestreckten Hinterteil, wie ein Altherrenkicker, der den Jungen nicht mehr gewachsen ist. Acht Gelbe Karten in einer Saison waren in Italien sein Negativrekord, in der Primera Division wurde er in 21 Partien schon zwölfmal verwarnt, öfter als jeder andere.

Schon sucht Real Insiderberichten zufolge in Italien einen Abnehmer für den Fehleinkauf, dessen Nachfolger in Madrid der junge Spanier Alexis vom Vorstadtklub Getafe werden soll. Selten hat ein Fußballer einen derart fulminanten Aufstieg und Fall in so kurzer Zeit erlebt. Cannavaro selbst ist sich seiner Formschwäche durchaus bewusst. In Interviews mit der spanischen Tageszeitung ABC und der italienischen La Gazzetta dello Sport ging er mit sich selbst hart ins Gericht: „Der Erste, der über meine Leistung entsetzt ist, bin ich selbst. Ich habe noch nie so viele Fehler gemacht wie im Moment, ich kann es selbst kaum glauben.“

Cannavaro hat den alten Juve-Kollegen Lillian Thuram angerufen und um Rat gefragt. Dass er nicht versuchen soll, so oft zu antizipieren, meinte der erfahrene Franzose vom FC Barcelona. Gründe für den Abstieg gibt es mehrere. Einer ist eben all der Lorbeer, der ihm gereicht wurde und auf dem er sich nun auszuruhen scheint. Nach einer erfolgreichen WM ist ein Spannungsabfall unvermeidlich. Außerdem verkürzte das Turnier die Vorbereitung auf die neue Saison. Viele Spieler zahlen den WM-Tribut, frag nach beim heutigen Champions-League-Gegner FC Bayern (20.45 Uhr live in Sat.1 und Premiere) und Profis wie Lahm, Schweinsteiger oder Podolski.

Cannavaro muss körperlich und geistig in Topform sein, will er es mit Topstürmern aufnehmen und will er heute den 3:2-Hinspielerfolg gegen die Bayern verteidigen. Er misst nur 1,76 Meter, ist nicht sonderlich talentiert. Und in seinem Alter ist Spritzigkeit nicht mehr naturgegeben. „Stimmt schon, dass ich oft zu spät zum Ball komme, weil ich nicht in der nötigen Verfassung bin“, sagt er selbst. Dazu kommt, dass in Spanien schneller kombiniert wird als in Italien, wo er im stets kompakt organisierten Juve-Team besser abgesichert war. Bei Real muss Cannavaro viel öfter in heiklen Situationen den Feuerwehrmann mimen, weswegen er sich einen kleinen Seitenhieb auf die Kollegen erlaubt: „Selbst der Beste und Erfahrenste kann nicht brillieren, wenn dem Team Konstanz fehlt.“

Auch tun sich Italiener traditionell schwer im Ausland, in Spanien besonders. Gerne würde er die zwei weiteren Jahre seines Vertrags bei Real erfüllen, um die Karriere dann in der Heimatstadt Neapel ausklingen zu lassen. Aber wahrscheinlicher ist eine schnelle Rückkehr. „Spanien ist schön“, sagt Cannavaro, „und ich sehe mich eigentlich auch kommende Saison hier in Madrid, aber ich bin 33 Jahre alt, und ich weiß, dass ein Klub schnell eine andere Lösung sucht, wenn einer eine schlechte Saison spielt.“ Klingt nach Ciao und Arrivederci.