Ku’dammbühnen
: Politiker auf Juwelensuche

Juwelensucher auf dem Ku’damm haben es nicht leicht. Auf der heruntergekommenen Einkaufs- und Amüsiermeile glitzert und blinkt es zwar aus unzähligen Auslagen, doch dieses Gefunkel ist nur kommerzorientiertes Blendwerk. Die echten Juwelen zwischen Adenauerplatz und Gedächtniskirche sind kultureller Art und verstecken sich tief in einer hässlichen 70er-Jahre-Passage. Das jedenfalls meinen Kulturfreunde, die am Montag ins „Theater am Kurfürstendamm“ einluden. Ihr Anliegen: „Die Juwelen des Kurfürstendammes sichtbar machen“ – womit natürlich das Theater und sein Pendant, die Komödie, gemeint sind.

Auf der Bühne des traditionsreichen Boulevardtheaters, dessen Zukunft ein Investor bedroht, saßen unter anderem Kulturstaatssekretär André Schmitz, ein pensionierter Denkmalschützer, die grüne Kulturexpertin Alice Ströver, ein TU-Professor und der Theaterdirektor. Moderiert wurde die Runde von Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig. Mit viel Engagement, aber politisch folgenlos erörterte man Versäumnisse beim Denkmalschutz und die Gefahren, die den beiden privatfinanzierten Spielstätten durch den neuen Eigentümer drohen.

Der Denkmalschützer wies auf die bauliche Einzigartigkeit des „ranglosen Saaltheaters“ hin, der Theaterdirektor pries es als Wirkungsstätte des großen Regisseurs Max Reinhardt. André Schmitz, bekanntlich selbst eher der Oper zugetan, forderte pflichtbewusst den Erhalt der beiden Bühnen, an denen Lieselotte Pulver und zuletzt Katja Riemann der leichten Muse huldigten. Auch aus dem Publikum meldeten sich Stimmen, die den kulturellen Niedergang Westberlins beklagten.

Vor lauter Harmonie im Saal geriet fast in Vergessenheit, dass das Schicksal der Bühnen nicht in der Hand der Anwesenden, sondern der eines fernen Investors liegt. Die Deutsche-Bank-Tochter DB Real Estate, die das Ku’damm-Karree ursprünglich abreißen wollte, verkaufte nach zahlreichen Protesten und Demos die lästige Immobilie im Januar an die amerikanische Firma Fortress. Der neue Eigentümer tat bislang noch nicht kund, was er mit dem 20.000 Quadratmeter-Areal inklusive eines 20-geschossigen Hochhauses im Hinterhof anfangen will. Mit ihm muss nun verhandelt werden, damit am Ku’damm 206–209 alles bleibt wie bisher – auch darin waren sich alle Diskutanten einig.

Angesichts von so viel Kulturuntergangsstimmung war das Bekenntnis des TU-Professors Claus Zillich, er habe noch nie eine Theatervorstellung dort besucht, erfrischend. Er war auch der Einzige, der darauf hinwies, was für eine grandiose Fehlplanung das ganze, zwischen 1969 und 1974 erbaute Ku’damm-Karree eigentlich ist. Ein „totgeborenes Kind“ schimpfte der Professor die Passage: Das Hochhaus im Hinterhof sei eine absurde Geschäftsadresse; das dunkle, schlecht gelüftete Untergeschoss ein Albtraum und die Ausgänge zum unbelebten Teil der Uhland- und der Lietzenburger Straße sinnlos. Eine völlige Umstrukturierung unter Bewahrung der historischen Theater forderte der Wissenschaftler. „Die Berliner“, so seine These, „mögen Passagen sowieso nicht.“

Bei einem Rundgang durch die 70er-Jahre-Betontristesse mit ihren schmuddeligen Eckkneipen und piefigen Souvenirshops möchte man ihm Recht geben. Die Touristen aber scheinen das Ku’damm-Karree zu lieben. Sie strömen scharenweise in die Multimedia-Ausstellung „Story of Berlin“ und bestaunen den unterirdischen Westberliner Atomschutzbunker.

Die Juwelen auf dem Ku’damm sind eben auch nicht mehr, was sie mal waren. Nina Apin