„Strukturen werden sich massiv verändern“

Die Arbeitslosenzentren sind wichtig für die soziale Betreuung, sagt der Sprecher der Arbeitsagentur NRW

WERNER MARQUIS, 55, ist studierter Betriebs- und Verwaltungswirt. Er leitet das Pressebüro der Arbeitsagentur NRW.

taz: Herr Marquis, die Arbeitslosenzentren in NRW protestieren gegen ihr drohendes Ende. Zu Recht?

Werner Marquis: Die Arbeitslosenzentren haben eine wichtige Funktion. Sie bieten Arbeitslosen unabhängig von der Behörde Kommunikationsplattformen. Sie tauschen zum Beispiel Strategien aus zur Frage: Wie komme ich wieder an einen neuen Job ran? Und sie sprechen mit Menschen in gleicher Problemlage. Die Agenturen für Arbeit können diese ergänzende Unterstützung, die zur sozialen Stabilisierung nötig ist, in diesem Umfang nicht leisten.

Ende Februar gab es in NRW über 930.000 Arbeitslose. Wie viele offene Stellen können Sie ihnen auf dem ersten Arbeitsmarkt anbieten?

Wir haben 87.000 offene Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Dazu kommen rund 50.000 Ein-Euro-Jobs.

Wie wichtig sind die zusätzlichen Angebote durch die Arbeitslosenzentren vor diesem Hintergrund?

Sie sind sehr wichtig. Es gibt viele familiäre, finanzielle und psychische Probleme, die mit Arbeitslosigkeit einhergehen. Es gibt Menschen, die sich zu Tode schämen und, um nicht aufzufallen, morgens ihr Haus verlassen und erst abends wiederkommen – obwohl sie keiner festen Arbeit nachgehen. Das Empfinden der Betroffenen ist entscheidend. In den Zentren können sie sich austauschen und das erleichtert Vieles.

50 Prozent der Menschen, die in die Arbeitslosenzentren kommen, werden von den Argen nicht betreut. An wen sollen sie sich wenden?

Die soziale Betreuung von Arbeitslosengeld-I-Empfängern sieht das Gesetz nicht vor. In ihm geht es nur darum, Arbeit für diese Menschen zu finden. Lokale Netzwerke und Initiativen tragen dazu bei, dass die Betroffenen sozial stabilisiert werden. Man muss darüber reden, wie das zukünftig organisiert wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass weitere Beratungsstellen finanziert werden. Wir bieten schließlich auch schon Informationen und Beratung an.

Stehen denn Gesetzesänderungen an?

Ja. Es wird Gespräche darüber geben, in wie weit die ergänzenden Beratungsangebote in Zukunft von den Kommunen übernommen werden. Die stehen bei zusätzlichen Angeboten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger in der Pflicht. Klar ist aber: Für sie wird sich viel verändern. Der Gesetzgeber muss Ende 2008 entscheiden, ob die Zusammenlegung von Arbeitsagenturen und Sozialämtern in Job-Centern oder die Übertragung der ganzen Verantwortung auf die Kommunen der bessere Weg ist. Die Strukturen werden sich verändern.INTERVIEW: JOHANNA RÜSCHOFF