Die Frauen dürfen den Ton angeben

Die weiblichen Mitglieder des Abgeordnetenhauses diskutieren am Frauentag über 100 Jahre Frauenbewegung. Gestritten wird vor allem über den Sinn einer Quote in Unternehmen. Von Frauensolidarität kann keine Rede sein

Die Frauen sitzen vorne. Karin Seidel-Kalmutzki (SPD) löst als Vizepräsidentin im Berliner Abgeordnetenhaus den Präsidenten und Parteikollegen Walter Momper auf seinem Stuhl ab. Auch links und rechts neben ihr sitzen weibliche Präsidiumsmitglieder. Damit das Bild stimmt, pünktlich zu Beginn der Aktuellen Stunde.

Aus Anlass des Weltfrauentags sollen an diesem Donnerstag im Abgeordnetenhaus „100 Jahre internationale Frauenbewegung: Bilanz und Ausblick Berliner Frauenpolitik“ diskutiert werden. Und zu Beginn ihres Beitrags geben sich alle RednerInnen deutlich Mühe, diesem Thema gerecht zu werden. Zumindest was die Bilanz angeht. „Die rechtliche Gleichstellung ist erreicht, die Erwerbsquote angeglichen, an den Universitäten gibt es genauso viele Absolventen wie Absolventinnen“, macht Canan Bayram von der SPD zum Auftakt. Dann fährt sie damit fort, dass Ehrverbrechen und Genitalverstümmelung durch die Migration auch in Berlin zu einem Problem geworden sind, das es zu bekämpfen gilt.

Dies allerdings sind Probleme, die zu groß sind, als dass glaubhaft über sie im Plenum diskutiert werden könnte. Weswegen die Frauen, die ihr nachfolgen, sich in ihren „Ausblicken“ lieber auf den wirtschaftlichen Aspekt konzentrieren. Konkret wird diskutiert: Ist eine Quote für Frauen in Unternehmen sinnvoll oder nicht?

Anja Kofbinger, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, findet eine solche Quote gut. Angesichts der niedrigen Frauenerwerbsquote von gerade mal 60 Prozent in Berlin sei sie dringend notwendig. Ihre Forderung nach der Quote weiß sie sogar geschickt improvisiert in ihren Beitrag einzubauen. „Die bei der FDP ham da auch ne Frau! Ganz, ganz toll!“, kontert Kofbinger einen Einwurf von Quoten-Gegnerin Mieke Senftleben. Senftleben ist die einzige Frau in der FDP-Fraktion. Bei politischen Debatten reicht die Frauensolidarität offenbar gerade mal bis zur Parteigrenze.

Auch Margit Goersch von der CDU argumentiert gegen die Quote. Denn die trage dazu bei, dass Frauen „keine Selbstverantwortung für ein unabhängiges Leben“ übernehmen. Das sei aber dringend nötig, denn: „Der Mann als Versorger ist für viele Frauen eine bequeme Lösung.“ Also sind die Frauen selbst schuld.

Evrim Baba gab die ganz große Losung vor: „Frauen und Sozialismus – das gehört zusammen“, sagte die Linkspartei-Politikerin. Die Reaktion im Parlament: ausgelassenes Lachen, sowohl von Männern wie von Frauen. Kathrin Schreck