Zum Wohle des Fußballs

Von einer Neuregelung der Wettspieleinnahmen könnte vor allem der DFB profitieren. Der Rest der Sportwelt mit seinen Boxern, Bogenschützen und Turnern dürfte dann eher in die Röhre schauen

Länderpolitiker versuchen ein Bollwerk zu errichten, um die deutsche Regelung vor Einflüssen aus Brüssel zu schützen

VON MARKUS VÖLKER

Wer hätte das gedacht? Es geht wieder einmal um Geld. Nicht weniger als eine halbe Milliarde Euro erhält der Sport aus staatlichen Lottomitteln. 250 Millionen Euro zahlt allein der Sportwettenanbieter Oddset. Pro Jahr. Das heißt: Der Deutsche zockt zum Wohle der Leichtathleten und Boxer, der Bogenschützen und Turner. Seine Risikobereitschaft schmiedet Kader und Karrieren.

Mit seinen Verlusten werden Trainingslager in Salt Lake City bezahlt und Tartanbahnen in Berlin-Hohenschönhausen. Der deutsche Sport ist der notorische Lottomillionär. Er gewinnt Jahr für Jahr. Aber bleibt das auch künftig so? Genau darum sorgt sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). „Unabdingbar für den Sport ist die Gewährleistung der finanziellen Mittel, die er bislang aus den Sportwetten erhalten hat, auch für die Zukunft“, sagt etwas sperrig der Präsident des Sportbunds Thomas Bach. Nun ist es so, dass in Deutschland ein Monopol auf Glücksspiel und Sportwetten besteht. Der Staat sackt die Verluste der Wettspieler ein und steckt sie in Kultur und Sport.

Das Monopol wurde jedoch in den vergangenen Jahren unterwandert. Private Anbieter versuchten sich mehr und mehr auf dem deutschen Markt festzusetzen. Die Länder, von Bayern bis Hessen, wehren sich gegen die Eindringlinge ins deutsche Wettspielparadies; nur Schleswig-Holstein macht nicht mit. Heerscharen von Rechtsanwälten, Staatsanwälten und Richtern sind damit beschäftigt, die Lage zu deuten. So hat das Bundesverfassungsgericht unlängst erklärt, das staatliche Monopol könne bestehen bleiben, wenn Oddset nicht mehr aggressiv wirbt und Suchtprävention betreibt. Um solche Nebensächlichkeiten scheren sich private Anbieter wie bwin, früher betandwin, eher wenig. Sie sind massiv auf den deutschen Markt gedrängt, agieren hauptsächlich im Internet und treten mittlerweile als Großsponsor des Sports auf. De facto haben sie das staatliche Monopol zu Fall gebracht, denn der Zocker kann sich heute schon aussuchen, wo er seine Wetten platziert.

Das rechtliche Kuddelmuddel führt zu bisweilen absurden Situationen: So durfte der Fußballbundesligist Werder Bremen während eines Auswärtsspiels in Stuttgart auf den Trikots der Spieler nicht für bwin werben – erlaubt war nur der Schriftzug „we win“ –, auf den Werbebanden stand allerdings groß und breit bwin. In dieser Woche hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) Recht gesprochen. Er hat am Dienstag im Strafverfahren gegen Massimiliano Placanica für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt, dass in Italien Vermittler, die auf Rechnung ausländischer Unternehmen Wetten sammeln, in diesem Fall für das englischen börsennotierte Unternehmen Stanley International Betting, mit Strafe bedroht sind. „Wir werden das Urteil sorgfältig daraufhin prüfen müssen, welche Auswirkungen es auf den deutschen Markt hat“, sagt Bach und kündigt die Bildung einer Arbeitsgruppe an, unter dem Vorsitz von DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. „Wir erwarten, dass eine europafeste und verfassungsgemäße Lösung gefunden wird, die die Finanzierung der gemeinnützigen Aufgaben des Sports sicher stellt“, sagt er. „Jetzt sind die Ministerpräsidenten der Länder gefordert. Es sollte möglich sein, eine Regelung zu erreichen, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts folgt und dem Sport mit seinen 90.000 Vereinen hilft.“

Beteiligt sind Vertreter des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und der Landessportbünde. Es ist nicht die erste AG dieser Art. Die Sicherung der Lottopfründen ist nämlich gar nicht so einfach. Die EU redet unermüdlich der Liberalisierung des Markts das Wort. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer versuchen einen Limes zwischen Deutschland und Brüssel zu errichten, ein Bollwerk, das vor dem Einfall der Privaten schützt. Sie planen, einen „Staatsvertrag“ zu verabschieden, der das Staatsmonopol sichert – unter der Auflage, Werbung einzuschränken.

Das hat beim Fußball-Bund (DFB) für Aufregung gesorgt. DFB-Präsident Theo Zwanziger will die Privaten nämlich zulassen und ihnen nebenbei auch ein paar Milliönchen abknöpfen, schließlich gingen 80 Prozent der Zocker Wetten auf Fußballspiele ein, argumentiert Zwanziger, das Wetten, egal ob staatlich oder privat, habe nur Vorteile. Doch sollte der Staatsvertrag durch die Länder verabschiedet werden, dann drohe eine „Enteignung des Fußballs“, sagt Zwanziger. Und weiter: „Wir wissen, dass bei Sportwetten 2 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland umgesetzt werden können. Wir sind der Meinung, dass dem gesamten Sport wesentlich mehr geholfen wird, wenn man die Kraft darauf konzentriert, aus diesen Wetten die notwendigen Abgaben und Erlöse zu gewinnen.“ Sprich: noch mehr Kohle für den DFB. Der DFB hat, um den Staatsvertrag zu verhindern, ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben – bei Rupert Scholz. Der CDU-Politiker war lange Zeit Aufsichtsratsvorsitzender bei Hertha BSC.

Es war ohne Probleme abzusehen, wie seine Expertise ausfällt. „Die Vereine haben ein Recht, dass alles, was sie produzieren und erwirtschaften, geschützt bleibt. Im verfassungsrechtlichen Sinn handelt es sich dabei um Eigentum“, so Scholz. Bleibt offen, wie das weniger „wertvolle“ Eigentum des DOSB mit seinen Fünfkämpfern und Turnern künftig im großen Wettspiel bewertet wird. Noch sind beide Sportverbände jedenfalls nicht Mitglieder im „Bündnis gegen das Wettmonopol“. Im Gegensatz zur Deutschen Handball-Liga, Adler Mannheim, Werder Bremen, der Basketball-Liga oder „kicker online“. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.