Föderalismus-Wölfe jetzt ganz lammfromm

Am Finanzausgleich wollen selbst die reichen Länder nicht mehr rütteln. Ein Schuldenverbot als Alibi-Reform genügt

BERLIN taz ■ Im Märchen von den sieben Geißlein frisst der Wolf gerade so viel Kreide, dass er später noch etwas zu beißen kriegt. Im Märchen von der Reform der bundesstaatlichen Finanzen hat nun der Ko-Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe so viel Kreide gefressen, dass man gar nicht mehr recht weiß, was er eigentlich will.

„Der Anfang macht mir Mut“, strahlte gestern Günther Oettinger über die ersten Beratungen seiner Föderalismuskommission, die das Finanzgeflecht zwischen Bund und Ländern durchforsten soll. Doch dann redete der Ministerpräsident Baden-Württembergs fast nur noch über die Verschuldungsbremse. „Ich bin mir sicher, dass wie bei beim Schuldenmachen Regeln verabschieden werden, die viel strenger sind als bisher.“

Tatsächlich würde ein Verschuldungsverbot es Bund und Ländern schwerer machen, ihre Etats in die roten Zahlen zu treiben. Zuletzt galten 11 von 16 Länderhaushalten als verfassungswidrig – weil die Höhe der neuen Kredite die Höhe der staatlichen Investitionen überschritt.

Ein Verschuldungsverbot gilt auch dem Sachverständigenrat für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtiges Instrument. Die Wirtschaftsweisen übergaben gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Gutachten. Darin machten sie Vorschläge, wie man die Neuverschuldung eindämmen könnte – zum Beispiel durch einen schärferen Begriff von Investition. Merkel bedankte sich, weil das ein „sehr hilfreiches Mittel“ für die Föderalismuskommission sei.

Dass sich die Kanzlerin freuen würde, war klar. Dass sich aber der Ministerpräsident eines der reichsten Bundesländer mit einem Schuldenmoratorium als einzigem Ergebnis der Föderalismuskommission zufrieden gibt, war nicht zu erwarten. Baden-Württemberg gehört zu den fünf Ländern, die viel Geld für den Länderfinanzausgleich ausgeben – und permanent darüber klagen. Der Vorgänger Oettingers, Erwin Teufel, war 1999 sogar gemeinsam mit Bayern vor den Kadi gezogen, um den Ausgleich zu Fall zu bringen.

Oettingers eigener Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hatte erst kürzlich ein wissenschaftliches Gutachten vorgelegt, in dem der Finanzausgleich als „Wachstumshindernis Nummer eins“ bezeichnet wird. Der Länderfinanzausgleich, heißt es darin, „nivelliert die Finanzkraft der Länder weitgehend“, er zerstöre die Motivation für eine aktive Wirtschaftspolitik und mindere das Wirtschaftswachstum um ein Prozent. Stratthaus würde lieber heute als morgen die Überweisungen an andere Bundesländer stoppen. Im Jahr 2005 musste der Finanzminister 2,23 Milliarden Euro abgeben.

Günther Oettinger aber gibt sich lammfromm. Man akzeptiere den Finanzausgleich und bis 2019 auch den Solidarpakt Ost, versprach er. Erst ganz zum Schluss zeigte er, dass noch ein bisschen Wolf in ihm steckt. „Jeder hat Interessen, die er vertreten muss“, sagte der Ministerpräsident – und forderte, „dass wir bei den Ländern die Einnahmemöglichkeiten verbessern müssen.“ Vielleicht ist es ja doch kein Märchen, dass die föderalen Finanzströme wirklich reformiert werden. CHRISTIAN FÜLLER