Der Staatsfeind an der Schultafel

Weil er Mitglied bei einer Gruppe Antifaschisten in Heidelberg ist, darf ein junger Mann seit Jahren nicht als Lehrer arbeiten. Sowohl Baden-Württemberg als auch Hessen verweigerten ihm bisher jede Anstellung, jetzt soll ein Gericht entscheiden

AUS MANNHEIM JOCHEN SCHÖNMANN

„Aufgeben kommt nicht in Frage“, sagt Michael Csaszkóczy mit Nachdruck. Weil er seit Anfang der Neunziger Mitglied der antifaschistischen Initiative Heidelberg ist, kämpft er nun bereits seit drei Jahren gegen ein skurril anmutendes Berufsverbot, das das Land Baden-Württemberg gegen den angehenden Realschullehrer verhängt hat. Das Berufsverbot wurde damals vom Verwaltungsgericht Karlsruhe bestätigt. Am heutigen Dienstag geht es vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in eine neue Runde.

Die Vorwürfe, die dem 36-Jährigen gemacht werden, scheinen die Uhr um dreißig Jahre zurückzudrehen: in die Zeit des Radikalerlasses und der politisch motivierten Berufsverbote. Im Fall Csaszkóczy stellt sich aber bei aller politischen Aufregung vor allem die Frage der Verhältnismäßigkeit: Die Antifa Heidelberg ist ein kleine Gruppe, die sich gegen rechtsextreme Gesinnung engagiert und Studenten in alternativen Stadtführungen die Orte von Nazi-Gräueltaten nahebringt. Der Landesverfassungschutz stufte das kleine Häufchen Linker dennoch als extremistisch ein.

Auch über die Aktivitäten Csaszkóczys wurde seit Anfang der Neunziger penibel Buch geführt. Trotzdem gibt es keine konkreten Vorwürfe: Einmal, 1992, wurde er bei einer Protestaktion für ein Asylbewerberheim von der Polizei in Gewahrsam genommen. Darüber hinaus hatte er 2001 eine Demo gegen rechts organisiert, bei der die angemeldete Strecke nicht eingehalten wurde. Ein Staatsfeind hat eine andere Vita. Selbst der zuständige Regierungsdirektor im Regierungspräsidium Karlsruhe, Detlev Brandner, bescheinigte dem Referendar mit den zwei Dutzend Ohrringen damals „Zivilcourage und einen friedliebenden Charakter“.

Trotzdem, sagte Brandner kurz darauf, mache ihn sein Bekenntnis zur Antifaschistischen Initiative nun einmal „einfach untauglich“. Punkt. Wenn sich die Parteien nun vor dem VGH treffen, sind die Fronten verhärtet. „Es geht um die Treuepflicht des Beamten“, heißt es gebetsmühlenartig im baden-württembergischen Kultusministerium. „Ein Beamter muss glaubwürdig hinter den Prinzipien des Rechtsstaats stehen. Das sehen wir in diesem Fall nicht als gegeben an.“ Weitere Beweise scheinen nicht nötig, um einem gut ausgebildeten Fachmann mit einer Abschlussnote von 1,8 vom Staatsdienst auszuschließen.

„Beim Vorliegen von Zweifeln gibt es einen Ermessensspielraum des Dienstherren, und der ist nicht justiziabel“, heißt es schroff aus dem Ministerium. Dass Csaszkóczy inzwischen sogar ein Promotions-Stipendium von der Hans-Böckler-Stiftung im Fach Geschichte erhalten hat, spielt dabei genauso wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass er während seines Referendariats nicht ein einziges Mal negativ auffiel. Im Jahr 2005 schloss sich dann auch das Land Hessen der wackeligen baden-württembergischen Begründung an. Zehn Minuten vor seiner Vereidigung wurde er von Peter Kühn, dem Direktor der Martin-Buber-Schule im hessischen Heppenheim, aus dem Konferenzraum geführt.

Das Innenministerium hatte eingegriffen und Zweifel an seiner Verfassungstreue angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte Csaszkóczy bereits die schriftliche Einstellungszusage auf „Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Probe“ in der Tasche. „Wer das Grundgesetz nicht achtet, hat in der Schule nichts verloren“, hieß es lapidar aus dem hessischen Kultusministerium. Und das alles, obwohl Rektor Kühn sich zuvor „sicher war, mit Michael Csaszkóczy die richtige Wahl für unsere Schule getroffen zu haben“.

Von der Antifa Heidelberg will sich Csaszkóczy trotz des zermürbenden Kampfes um einen Arbeitsplatz nicht distanzieren. Er weigert sich, öffentlich von seiner Grundeinstellung Abstand zu nehmen. „Ich bin nicht bereit, in einen Wettbewerb um die größte Stromlinienförmigkeit einzutreten“, sagte er der taz. Immerhin hat er nun bald einen Doktortitel in der Tasche und hat dann vielleicht bessere Chancen auf einen Job. Doch Csaszkóczy ist skeptisch, ob ihm der Titel tatsächlich beruflich weiterhilft: „Meine Ausbildung ist nun einmal schulisch. Der Staat ein hat ein Monopol auf mich.“