Arbeit, fertig, los

VON CIGDEM AKYOL

Nach jahrelangem Tauziehen in der Bleiberechtsdebatte ist der großen Koalition der Durchbruch gelungen: Geduldete Ausländer, die mindestens acht Jahre – oder sechs als Familie – in Deutschland leben, dürfen hier bleiben. Voraussetzung ist allerdings, dass sie bis Ende 2009 Arbeit gefunden haben.

Bis zu diesem Zeitpunkt sollen von etwa 180.000 Geduldeten 60.000 eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ bekommen. Diese darf die Sozialkassen nicht belasten. Ein Nachzug der Familien der Betroffenen wird eingeschränkt und höhere Sozialleistungen bleiben ausgeschlossen. Vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erhalten die Betroffenen somit etwa kein Elterngeld. Der Gesetzentwurf soll noch vor Ostern vom Kabinett beschlossen werden.

Damit beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Denn wer bis Ende 2009 keinen Erfolg bei der Jobsuche hat, dem wird wieder die Abschiebung angedroht. Wer eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung anstrebt, muss neben der Erwerbstätigkeit aber auch nachweisen können, in den zurückliegenden 30 Monaten seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst durch Arbeit gesichert zu haben – oder in den neun Monaten vor dem Stichtag seinen Lebensunterhalt vollständig selbst gesichert zu haben. Zusätzlich muss der Betroffene nachweisen, dass er ab dem 1. Januar 2010 einen Dauerarbeitsplatz hat. Deswegen appellierte die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) an die Arbeitgeber, Geduldete bei Bewerbungen gleichrangig zu behandeln.

Neben dem Bleiberecht sollen mit dem geplanten Gesetz elf EU-Richtlinien zum Aufenthalts- und Asylrecht umgesetzt und Änderungen an dem seit zwei Jahren gültigen Zuwanderungsgesetz vorgenommen werden. Um Zwangsehen zu vermeiden, soll der Nachzug der Ehegatten von Migranten durch ein Mindestalter von 18 Jahren für beide Ehepartner beschränkt werden. Außerdem müssten einfache deutsche Sprachkenntnisse vorhanden sein, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

Union und SPD zeigen sich nach den Verhandlungen zufrieden. „Das ist ein großer Schritt nach vorne“, erklärt Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses. „Das ist ein Sieg für Humanität und Vernunft.“ Rückendeckung bekommt er dabei aus Bayern. „Ich bin sicher, dass diese Bleiberechtsregelung gut ist für Deutschland und die große Koalition“, erklärt CSU-Chef Edmund Stoiber.Was ihn besonders freut: Für die Länder wurde eine Öffnungsklausel bei den Sachleistungen wie Kleidung oder Lebensmittel vereinbart. Mit dieser Regelung werde erreicht, dass bisher geduldete Ausländer bis zu einer Arbeitsaufnahme keine höheren Sozialleistungen bekämen, so Stoiber. In Bayern würden abgelehnte Asylbewerber weiterhin in Sammelunterkünften untergebracht.

„Die jetzt erfolgte Einigung bei der Bleiberechtsregelung ist ein Trauerspiel“, erklärte dagegen Grünen-Chefin Claudia Roth. Das Grundrecht „‚die Würde des Menschen ist unantastbar‘ ist heute mit dem Adjektiv ‚deutsch‘ versehen worden“, so Roth zur taz. Auf dem Rücken von Flüchtlingen werde „ein Wettlauf der Schäbigkeit in Gang gesetzt“. Von der ausgehandelten Regelung „profitieren allenfalls Menschen, die ökonomisch ‚verwertbar‘ sind“. Auf der Strecke blieben die Alten, Kranken und Kinder. „Wer wirklich Schutz und Unterstützung braucht, fällt bei dieser Regelung durchs Netz“, sagt Roth und bezeichnet den Kompromiss als „zynisch“.

Eine Aussage, der Wolfgang Grenz, Flüchtlingsexperte bei Amnesty International, zustimmt. „Diese Bleiberechtsregelung löst die Probleme der meisten Geduldeten nicht“, erklärt Grenz. Pro Asyl bezeichnet die vorgesehene Regelung als „gnadenlos gegenüber Erwerbsunfähigen“. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Petra Pau, nannte das geplante Bleiberecht unmenschlich.