„Im schlimmsten Fall wird abgeschoben“

Geduldete Flüchtlinge, die nicht arbeiten können, sind auch vom neuen Bleiberecht ausgeschlossen

JENS-UWE THOMAS ist Sprecher des Flüchtlingsrats Berlin.

taz: Herr Thomas, löst die neue Bleiberechtsregelung die Probleme der geduldeten Flüchtlinge in Deutschland?

Jens-Uwe Thomas: Aus unserer Sicht schafft sie eher weitere Problemfälle. Nach wie vor wird ein bestimmter Einreisestichtag festgesetzt, von dem aus die Zeit gezählt wird, die man hier verbracht haben muss. Mit einer solchen Regelung kann man das Problem der Kettenduldungen nicht lösen, weil es immer wieder Menschen geben wird, die nach einem Stichtag eingereist sind, sich aber trotzdem schon vergleichsweise lange hier aufhalten.

Nach der neuen Regelung müssen Flüchtlinge Arbeit haben, um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Reicht dazu ein zeitlich begrenzter Arbeitsvertrag oder muss man unbefristet Arbeit haben?

Man braucht ein Arbeitsplatzangebot, mit dem der Lebensunterhalt gesichert werden kann, das also über dem Hartz-IV-Regelsatz liegt. Man muss seinen Lebensunterhalt inklusive Krankenversicherung sichern können. Und das nicht nur über eine Woche oder ein paar Monate.

Ist die neue Regelung also ein Fortschritt?

Ein Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Regelung ist, dass die Leute jetzt erst mal einen Aufenthalt auf Probe bekommen, also nicht mehr mit einer Duldung auf Arbeitsplatzsuche gehen müssen. Was wir problematisch finden, ist, dass sich die neue Regelung sehr stark an Leistungsfähigkeit orientiert. Flüchtlinge, die nicht arbeiten können, etwa alte oder kranke Menschen, bleiben faktisch ausgeschlossen. Sie kriegen weiterhin nur ein Bleiberecht, wenn ihre Kosten inklusive Krankenversicherung übernommen werden.

Was geschieht mit Flüchtlingen, die keine Arbeit finden?

Die werden im besten Fall aus humanitären Gründen weiter geduldet. Im schlimmsten Fall wird abgeschoben

Ist das nicht eigentlich eine Rückkehr zum Status quo vor November 2006?

Die Frage ist, wie viele Geduldete es in der neuen Frist schaffen werden, Arbeit zu finden. Die bisherige Frist war zu kurz. Von der längeren Frist kann ein Teil der Flüchtlinge profitieren. Ich bin aber skeptisch, in welchem Verhältnis dies zur jetzigen Zahl der Geduldeten stehen wird, da es für Menschen, die lange vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren, sehr schwierig ist, Arbeit zu finden.

INTERVIEW: RÜDIGER ROSSIG