Elite-Universität wird zur Spitzel-Hochschule

Die Ludwig-Maximilians-Universität in München möchte ihre Angestellten und Studenten zu Spionen machen

MÜNCHEN taz ■ „Erst amüsiert, dann schockiert“ war Markus D.*, als er gestern Früh sein E-Mail-Postfach leerte. Unter dem Betreff „islamistische Anschläge im Bundesgebiet“ fand der Biologe und wissenschaftliche Mitarbeiter eine überraschende Mitteilung seines Arbeitgebers, der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Die „sehr geehrten Damen und Herren“ mögen doch angesichts der neuen Terrordrohungen gegen Deutschland und Österreich „auf Studierende, Mitarbeiter oder sonstige Gebäudenutzer“ achten, „die sich durch besondere Verhaltensweisen, wie z. B. einen Bruch im Lebenswandel, Gewaltbereitschaft, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur auffällig in Richtung islamischer Fundamentalismus verändern“. In seinem Labor wurde heftig diskutiert, berichtete Markus D. der taz. „Wir waren alle sehr überrascht über die drastischen Formulierungen.“

Das Schreiben des LMU-Hauptabteilungsleiters endet mit der Aufforderung, „verdächtig erscheinende Wahrnehmungen, die Rückschlüsse auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung zulassen, unverzüglich hierher mitzuteilen“.

Und auch in der Universitätsleitung herrschte gestern Aufregung, wie der LMU-Personalratsvorsitzende Karl Ischinger der taz berichtete. „Ich habe ein ungutes Gefühl, und auch die Mitarbeiter haben Angst vor Bespitzelung.“ Bei den Studenten stelle sich ebenfalls die Frage, wie künftig bei kontroversen politischen Diskussionen vorgegangen werde. Müssen nach einer Seminardebatte über die Entstehung Israels etwa die Kritiker der Besatzungspolitik in Palästina gemeldet werden?

Bei der Verwaltungsleitung der LMU sieht man diese Gefahren nicht. „Die Uni wird auch weiterhin ein weltoffener Raum bleiben und das muss auch unbedingt gewährleistet bleiben“, so Kanzler Thomas May gegenüber der taz. Gleichzeitig hätten die Sicherheitsbehörden darauf hingewiesen, dass sich die Sicherheitslage verändert und dass die Uni ihre Angestellten sensibilisieren sollte.

Entsprechend verteidigt auch das bayerische Innenministerium solche generellen Warnhinweise. „Es geht dabei nicht um einen Generalverdacht gegenüber manchen Studierenden, etwa aus Problemstaaten“, sagte Ministeriumssprecher Rainer Riedl der taz. „Aber es hat schon Fälle gegeben, bei denen Studierende an Anschlägen oder der Vorbereitung beteiligt waren.“ Für die Sicherheitsbehörden sei es nicht möglich, sämtliche weichen Ziele alleine zu kontrollieren, deswegen müsse man eine „Kultur des Hinschauens“ entwickeln. „Das ist keine Denunziation, sondern staatsbürgerlicher Beitrag zur Gefahrenabwehr.“

Gerade Hochschulen seien dabei ein wichtiger Partner, denn einer von wenigen legalen Aufenthaltsgründen für Studierende aus „Problemstaaten“ sei der Aufenthalt zu Studienzwecken. „Deswegen muss man sich anschauen, wenn jemand von T-Shirt und Jeans plötzlich zu Bart und Kaftan wechselt“, so Riedl. Das könnten „äußere Anzeichen einer inneren Radikalisierung“ sein. MAX HÄGLER

* Name geändert