Berlin verzichtet auf Windenergie

Eine in Pankow geplante Windkraftanlage darf nicht gebaut werden. Der Rotor könne geschützte Vogelarten wie den Rotmilan erschlagen, begründet die Umweltverwaltung. Initiator und Bezirk kritisieren Entscheidung als „absurd“

In ganz Berlin gibt es keine einzige Windkraftanlage – und nach dem Willen des rot-roten Senats wird das auf absehbare Zeit so bleiben. Nach taz-Informationen wird die Umweltverwaltung ein Hochleistungswindrad, das eine Initiative in Pankow aufstellen will, nicht genehmigen. „Es gibt gravierende Aspekte des Naturschutzes, die gegen das Windrad sprechen“, sagt Wolfgang Bergfelder, der zuständige Abteilungsleiter für Integrativen Umweltschutz. „Über diese konnten wir nicht hinwegsehen.“ Der Ablehnungsbescheid ist gestern an die Initiatoren der Umweltplan Projekt GmbH geschickt worden.

Während ganz Deutschland über Klimaschutz diskutiert, verhindert der Senat umweltfreundliche Energieerzeugung – was absurd klingt, ist laut Bergfelder ein „ökologischer Zielkonflikt, der höchst bedauerlich ist“. Denn grundsätzlich findet die Umweltverwaltung, Senatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) an der Spitze, Windenergie klasse. Nur eben nicht an der Schönerlinder Straße am Stadtrand in Pankow. Hier, auf einem ausgewiesenen Gewerbegebiet zwischen den Autobahnen A 10 und A 114, ist Naturschutz wichtiger – was wieder absurd klingt.

Die Ablehnung geht auf Einwände der oberen Naturschutzbehörde zurück, die der Stadtentwicklungsverwaltung unterstellt ist. In der Nähe des geplanten Standorts liegen mehrere Naturschutzgebiete wie die Karower Teiche und das Tegeler Fließ. „Dort leben viele geschützte Vogelarten und Fledermäuse“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Die Befürchtung der Naturschützer: Die Tiere könnten von den Rotorblättern des Windrads erschlagen werden. Der Vogelflugbetrieb ist an dieser Stelle besonders dicht, argumentiert Rohland. „Zugvögel meiden die Innenstadt und fliegen am nördlichen Stadtrand vorbei.“ Diese Schneise dürfe auch deshalb nicht zugebaut werden, weil drei Kilometer weiter in Brandenburg schon die nächsten Windräder stehen, so Rohland.

Das Gutachten für die Behörde hat Rainer Altenkamp erstellt, Vizelandeschef des Naturschutzbunds Nabu. Ihm liegt besonders der Rotmilan am Herzen, ein geschützter Greifvogel. Die letzten beiden Brutpaare in der Hauptstadt nisten im nahen Bucher Forst. „Der Aktionsradius des Rotmilans beträgt fünf Kilometer. Da läge das Windrad voll drin“, sagt Altenkamp. Zudem sei bei Totfunden vor Windradparks der Rotmilan am häufigsten vertreten. Altenkamps Fazit: „Ist eine Art unmittelbar vom Aussterben bedroht wie der Rotmilan, muss jedes Risiko vermieden werden – selbst wenn es ein Windrad ist.“

Peter Weber, Mitinitiator des Pankower Projekts, hält die Ablehnung durch die Behörden für „absurd“. „Die brandenburgischen Windräder stehen näher an dem Nistplatz als unsere. Außerdem gibt es im Nachbarland 2.200 Rotmilane, die Art ist also keineswegs massiv bedroht.“ Er will die 14-tägige Anhörungsfrist nutzen, um Einspruch gegen die Ablehnung einzulegen – und das Windrad neu zu begründen.

Auch der Bezirk Pankow setzt sich seit Jahren für das Projekt ein. Entsprechend enttäuscht ist Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) über die „Verweigerungshaltung“ der Senatsverwaltung. „In der Gegend werden mehr Vögel auf den nahe liegenden Autobahnen und der Bahntrasse getötet als durch ein einzelnes Windrad.“ Die Entscheidung sei angesichts der Klimaschutz- und Atomkraftdebatte „politisch daneben“, so Köhne. „Zumal sich Brandenburger Windräder in Sichtweite drehen.“ ULRICH SCHULTE