Gleiche Arbeit, weniger Lohn

Die Zeitarbeitsbranche boomt. Stärker als bisher will sich die IG Metall deswegen in diesem Bereich engagieren und über negative Folgen für die Arbeitnehmer aufklären. Erster Schritt: ein Sozialreport

VON KATHRIN SCHRECK

Andrea Weingart ist sichtlich betroffen. „Ich war erschrocken darüber, wie verbreitet Zeitarbeit schon ist“, sagt sie. Im Auftrag der IG Metall hat die Journalistin Interviews mit Zeitarbeitnehmern geführt. Gestern wurden diese als „Sozialreport Zeitarbeit“ vorgestellt. Die IG Metall versucht mit der Broschüre, auf den wachsenden Zeitarbeitsektor und seine negativen Folgen für die Arbeitnehmer aufmerksam zu machen.

Die Wachstumsraten von Zeitarbeit sind enorm. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit konnte die Branche im Jahr 2006 in Berlin und Brandenburg einen Zuwachs von 42,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen. Damit gab es im vergangenen Jahr 26.988 Zeitarbeiter.

Dementsprechend wächst auch die Zahl der Zeitarbeitsfirmen: Waren es vor sieben Jahren noch 377 dieser Betriebe in Berlin, Brandenburg und Sachsen, gab es im Jahr 2006 schon 788 Zeitarbeitsfirmen. Ausgeliehen werden die Mitarbeiter vor allem an große Industriebetriebe, darunter Siemens, DaimlerChrysler und BMW: 96,8 Prozent aller Zeitarbeiter schuften in nur 19,2 Prozent der Betriebe.

Der Report der IG Metall soll „ein bewusstseinsförderndes Projekt“ sein, sagte IG-Metall Chef Jürgen Peters gestern. Er soll die Probleme aufzeigen, denen sich Zeitarbeitnehmer gegenübersehen. Formal sind sie Angestellte einer Vermittlerfirma wie zum Beispiel Randstad, die sie an die Betriebe, in denen sie arbeiten, nur „verleiht“. Das hat unter anderem zur Folge, dass der Zeitarbeitnehmer einen geringeren Lohn erhält, denn die Zeitarbeitfirma behält einen Teil davon. Dazu kommt, dass der Zeitarbeitnehmer schneller gekündigt werden und seine Arbeitnehmerrechte schlechter durchsetzen kann als regulär Beschäftigte.

Der Report greift diese Problematiken an verschiedenen Fallbeispielen im IG-Metall-Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen auf. Er ist allerdings nicht repräsentativ: Lediglich neun Zeitarbeitnehmer, die in großen Betrieben in Berlin, Brandenburg und Sachsen arbeiten, wurden dafür zu ihrer Arbeitssituation befragt. Ihre Aussagen sind anonym dokumentiert.

Ein jetziger Zeitarbeiter, der zuvor als stellvertretender Lagerleiter bei einem Automobilhersteller 1.498,76 Euro netto verdient hat, berichtet, dass er nun, bei Randstad, nur noch 765,95 Euro verdient. „Das schreit doch zum Himmel!“, findet er.

Ein weiterer Zeitarbeiter ist seit vier Jahren bei Siemens beschäftigt. Anders als zu Beginn seiner Beschäftigung ist die Auftragslage gut. Trotzdem wird ihm keine Festanstellung angeboten, berichtet er. Außerdem verdiene er weiterhin schlechter als seine Kollegen. „Wir sind doch auch nicht blöd. Wir bekommen doch mit, wie die wirtschaftliche Lage des Unternehmen ist“, wird der Mann in dem Report zitiert.

Die IG Metall versucht nun, die Bedingungen für die Zeitarbeiter zu verbessern. Es sei wichtig, einen allgemein verbindlichen Tarifvertrag abzuschließen und den Dialog mit der Politik fortzuführen. Auch Olivier Höbel, IG-Metall-Bezirksleiter von Berlin, Brandenburg und Sachsen, bekräftigte den Handlungswillen der Gewerkschaft: „Arbeitnehmer zweiter Klasse können wir nicht akzeptieren.“