Die Trutzburg wurde geschleift

Gegen heftige Proteste beschließt der Senat der Universität Münster 275 Euro Studiengebühren. Vermutlich gab die Stimme eines Vertreters der Studierenden sogar den Ausschlag

AUS MÜNSTER RALF GÖTZE

Die Jahrmarktstände vor dem Münsteraner Schloss waren am Mittwochnachmittag noch nicht ganz aufgebaut, da wurde bei der Senatssitzung der Universität schon gefeilscht wie beim billigen Jacob. 300 Euro Studiengebühren forderte Rektorin Ursulla Nelles, 275 Euro sah der Antrag der ProfessorInnen vor, die MitarbeiterInnen des so genannten Mittelbaus plädierten für 200 Euro Campus-Maut. Die Studierenden blieben bei der Forderung, die auch die laut Polizei rund 2.500 friedlich protestierenden GebührengegnerInnen vor dem Schloss lautstark unterstützten: „Eintritt frei“.

Nach anderthalbstündiger Diskussion entschied der Senat in geheimer Abstimmung mit der denkbar knappsten Mehrheit von zwölf gegen elf Stimmen für den Antrag der ProfessorInnen. 275 Euro müssen die Münsteraner Studis ab Oktober pro Semester zusätzlich zum gestiegenen Sozialbeitrag in Höhe von 146 Euro berappen. Die bundesweit größte Trutzburg der GebührengegnerInnen ist geschliffen. Damit gibt es jetzt an allen Universitäten in NRW Studiengebühren.

Und die entscheidende Stimme kam womöglich von einem Studenten. Einen Abweichler aus den anderen drei Statusgruppen benötigten nämlich die ProfessorInnen. Bei Geschlossenheit können sie zwar durch ihre zwölf Sitze in dem 23-köpfigen Gremium jeden Antrag durchwinken, aber mit dem Kindermediziner Joachim Boos hatten sie einen der entschiedensten Gebührengegner in ihren eigenen Reihen sitzen. „Wir haben noch nicht einmal eine konkrete Bedarfsanalyse und sollen nun einen Systemwechsel in der Hochschulfinanzierung auf so einer wackeligen Grundlage beschließen“, appellierte Boos an die wissenschaftliche Redlichkeit seiner Kollegen.

Auch aus den Reihen der nichtwissenschaftlichen MitarbeiterInnen gab es ein klares Kontra. „Wir hinterlassen der jungen Generation schon marode öffentliche Haushalte und einen kostspieligen Klimawandel“, sagte Gruppensprecherin Annette Wöstenkötter. „Und jetzt wollen wir ihnen auch noch den Zugang zu dem Wissen, das diese Probleme vielleicht lösen kann, erschweren?“

Die vier Mitglieder des wissenschaftlichen Mittelbaus signalisierten im Vorfeld nur Kompromissbereitschaft für Summen um 200 Euro. Blieben somit nur noch die Studierenden. „Wir können nicht ausschließen, dass unsere Gruppe nicht geschlossen dagegen gestimmt hat“, sagte der Sprecher der vier studentischen Senatsmitglieder, Thorsten Dikmann. Während der Diskussion war BWL-Student Max Heinrich Brüggemann zwar still geblieben, aber in der Vergangenheit hatte der Vorsitzende der Jungen Union Versmold keinen Hehl aus seiner Pro-Gebühren-Haltung gemacht. Der Burschenschaftler argumentierte noch vor zwei Monaten: Wie stünde er denn künftig vor Arbeitgebern da, wenn er von der einzigen gebührenfreien Hochschule kommen würde. Nach dem Abstimmungsergebnis, dass die Demonstrierenden mit einem Pfeifkonzert und „Schämt euch“-Rufen quittierten, wählte Brüggemann im Gegensatz zu den anderen drei studentischen Mitgliedern den Hinterausgang.

Derweil machte beim Plenum der Protestierenden im Schlossfoyer der in anderen Bundesländern gescheiterte Gebührenboykott als neue Strategie die Runde. Bereits im Senat versprach der AStA-Vorsitzende Tom Münster der Rektorin einen anhaltenden Protest. Vielleicht hat sie darum beim gestrigen Fachkongress im Uni-Schloss ein wenig mitgelauscht. Das Thema: Krisen-, Risiko- und Katastrophenkommunikation.