Frühlingserwachen im Senat

Mit Kita- und Bädersanierungen und neuen Ideen zur Nachnutzung des Flughafens Tempelhof will Rot-Rot sein ramponiertes Image aufpolieren

Den Scherz zu Beginn musste sie sich einfach erlauben. Als die Fraktionschefs von SPD und Linkspartei gestern hoch über dem Hackeschen Markt zum Plaudern über die Senatsziele luden, stand die Frage im Raum: Wer fängt an zu reden, Carola Bluhm oder Michael Müller? Linkspartei oder SPD?

Als Müller nicht sofort zum Monolog ansetzte, sagte die Linkspartei-Pressesprecherin mit bezwingendem Lächeln: „Die SPD traut sich nicht.“ Und erteilte ihrer Parteifreundin das Wort. Es wurde trotzdem sehr harmonisch.

Der Seitenhieb offenbarte, dass die geballte Kritik an den Koalitionären nicht spurlos vorübergegangen ist. Seit vier Monaten bemängeln Beobachter das lustlose Lavieren von Rot-Rot. Der Schlag der im Herbst verlorenen Haushaltsklage in Karlsruhe schien SPD und Linkspartei schier endlos zu betäuben. Die Sozialisten äußerten in den vergangenen Wochen zumindest zerknirscht Selbstkritik, die dauerregierende SPD aber genügte sich lange Zeit selbst. Bluhm und Müller traten gestern an, um diesen Eindruck zu zerstreuen.

Den Zeitpunkt hatten sie gut gewählt. Während heute die drei Oppositionsparteien den Senat als ideen- und kraftlos vorführen wollen, präsentierten sich die Koalitionäre gestern als gut gerüstet für die Themen des Jahres: Was geschieht mit dem Flughafen Tempelhof? Wohin fließen die Mehreinnahmen des Landes? Alles unter der etwas sperrigen Überschrift, die die Legislaturperiode bis 2011 prägen soll: „Integration und Innovation“.

Nach wochenlangem Schweigen des Regierenden Bürgermeisters zur Frage, wie es mit dem Flughafen Tempelhof weitergehen soll, versprach SPD-Chef Müller „mehr Dampf“ in der Debatte. Symposien mit international bekannten Städtebauexperten könnten Ideen liefern, was künftig mit den gewaltigen Bauten geschehen könne. Bislang planen die drei Flughafengesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund, den Flugbetrieb im Herbst 2008 einzustellen. Springer-Zeitungen und die CDU fordern seit Monaten, das Nutzungskonzept des amerikanischen Kosmetikunternehmers Ronald S. Lauder zu prüfen. Das sieht die Fortführung des Flugbetriebs vor und die Nutzung als Klinikgebäude.

Müller zeigte sich genervt über die seit Monaten schwelende Debatte. Das Lauder-Konzept funktioniere nur mit Hilfe weiterer Unternehmen, die Gebäudeteile übernehmen. „Was passiert eigentlich, wenn diese Pläne nicht klappen? Wer übernimmt dann Verantwortung?“ Müllers Antwort: Die Steuerzahlenden wären dran. „Es kann niemand ernsthaft erwarten, dass wir Entscheidungen treffen, die BBI gefährden.“ Der Großflughafen Berlin-Brandenburg International soll Tempelhof und Tegel ersetzen, wenn er voraussichtlich Ende 2011 in Betrieb geht.

Die Linkspartei-Fraktionschefin Carola Bluhm sprach gestern von einem Umstand, an den sich ihre Partei nach fünf Jahren Sparen sichtlich gewöhnen muss: Aufschwung. „Wir als Linke können mit wirtschaftlicher Dynamik umgehen.“ Während der Großteil der Mehreinnahmen in den Landeshaushalt fließen soll, versprach Bluhm gestern, rund 40 Millionen Euro aus dem Verkaufserlös der Gewerbesiedlungsgesellschaft GSG in die Sanierung aller maroden Hallenbäder zu stecken. 8 bis 10 Millionen Euro soll der Einbau effizienter Heizanlagen in Kitas kosten, Bundesmittel kommen hinzu.

Die heutige Oppositionskonferenz behandelten die Koalitionäre wie zuvor die Kritik an ihrer Tatenarmut: Sie schwiegen darüber. MATTHIAS LOHRE