Unheilige Allianzen

Washington will das iranische Regime stürzen. Dazu baut es auf ein Bündnis der arabischen Sunniten und schürt die inneren Konflikte im Iran: ein gefährliches Spiel

Bahman Nirumand, 60, ist Publizist und Autor zahlreicher Bücher über den Iran. Für die taz analysiert er regelmäßig die Lage dort. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Iran. Die drohende Katastrophe“ (Kiepenheuer & Witsch, 2006).

Bei der internationalen Sicherheitskonferenz in Bagdad am vergangenen Samstag haben hochrangige Vertreter des Irans und der USA erstmals wieder an einem Tisch gesessen. Doch dieses Treffen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Iran und die USA dort nicht als Verhandlungspartner, sondern als Kontrahenten begegneten. Selbstverständlich hat man im Iran kein Interesse daran, die USA aus dem Schlamassel im Irak zu retten. Genauso wenig sind die USA bereit, gegenüber Teheran irgendwelche Zugeständnisse zu machen, schon gar nicht im Atomkonflikt. Die scharfen Interessengegensätze beider Länder sind auf allen Ebenen spürbar.

Zwar haben beide Seiten ein Interesse daran, dass im Irak endlich Friede einkehrt. Aber nach iranischen Vorstellungen braucht dies erst nach Abzug der amerikanischen Truppen zu geschehen. Die USA hingegen wollen den Irak unter keinen Umständen als Verlierer verlassen. Die eintägige Konferenz, die ohne Ergebnis zu Ende ging, hatte für Teheran und Washington einzig den Zweck, der Öffentlichkeit die eigene Bereitschaft zum Frieden zu demonstrieren. Hinter den Kulissen jedoch wird der Kampf weiter verschärft.

Nicht nur im Irak – auch im Libanon, in Palästina und Afghanistan versucht Teheran, die US-Streitkräfte zu binden, um so die Gefahr eines militärischen Angriffs aufs eigene Land zu mildern. Demgegenüber setzt auch Washington weiter auf Konfrontation, statt den Empfehlungen der Baker-Kommission zu folgen und die Konflikte durch direkte Verhandlung mit Teheran zu entschärfen. Durch die Verschärfung von UN-Sanktionen und die Entsendung zusätzlicher Flugzeugträger mit Nuklearwaffen an Bord, die Stationierung von Patriot-Raketen und anderen Waffen am Persischen Golf soll Iran in die Knie gezwungen werden. Doch die „neue Strategie“, die US-Präsident Bush im Dezember ankündigte, geht noch weiter: Das Regime der Islamisten soll international isoliert und von innen zum Sturz gebracht werden. Dazu werden die ethnischen, politischen und wirtschaftlichen Konflikte im Land geschürt.

Mit dieser Strategie reisten US-Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Condoleezza Rice in die Region, um die Golfstaaten gegen den Iran zu mobilisieren. Schon am 17. Januar forderten acht arabische Staaten und die USA den Iran in einer gemeinsamen Erklärung auf, die Einmischung im Irak zu beenden. Man unterstütze die Verstärkung der US-Streitkräfte in Bagdad, erklärte Kuwaits Außenminister Mohammed al-Sabah auf einer Pressekonferenz mit seiner US-Amtskollegin Rice. Die sechs Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) sowie Ägypten, Jordanien und die USA verpflichteten sich, gemeinsam gegen jede Drohung vorzugehen, die „die Sicherheit der Region“ gefährde. In ihrer Erklärung forderten sie auch eine rasche Lösung des iranischen Atomkonflikts. Sie riefen den Iran dazu auf, sein Atomprogramm vollständig offen zu legen, die internationalen Regelungen zu achten und seine Atomanlagen für Kontrollen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) zu öffnen.

Den USA fällt die Bildung einer gemeinsamen Front gegen den Iran umso leichter, als die Golfstaaten – allen voran Saudi-Arabien – befürchten, dass der Iran und mit ihm die Schiiten in der Region immer mehr an Einfluss gewinnen, was zur Rebellion schiitischer Minderheiten in den Golfstaaten führen könnte. Im Irak, wo sie die Mehrheit bilden, sind sie an der Macht, im Libanon durch die Hisbollah vertreten. Die palästinensische Hamas gehört zwar zu den Sunniten, kooperiert aber eng mit Teheran; dasselbe gilt für Syrien.

Saudi-Arabiens Furcht vor einem „schiitischen Halbmond“ ging so weit, dass Riad im vergangenen Jahr schon seine Zustimmung zu Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon gab. Bekannt ist auch, dass Saudi-Arabien die Sunniten in ihrem Kampf gegen die Schiiten im Irak unterstützt. Und sollten die USA ihre Streitkräfte aus dem Irak abziehen, hieß es kürzlich aus Riad, würde Saudi-Arabien den Sunniten finanziell und militärisch beistehen.

Washingtons Ziel ist, den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten zu schüren, der im Irak bereits zu einem regelrechten Bürgerkrieg ausgewachsen ist. Dadurch hoffen sie, den konfessionellen Druck auf den „äußeren Feind“ USA auf innere Gegner umzulenken. Das ist ein höchst riskantes Spiel, das die Region – bis nach Afghanistan und Pakistan hinein – ins Chaos stürzen könnte. Es würde Saudi-Arabien und die anderen „moderaten Golfstaaten“, so die amerikanischer Bewertung, in eine unheilige Allianz mit den USA, Israel, den sunnitischen Anhängern Saddam Husseins und nicht zuletzt al-Qaida, den schärfsten Schiitengegnern, bringen.

Iran versucht, diese Strategie zu unterlaufen, indem es sich um bessere Beziehungen zu Saudi-Arabien und den anderen Golfstaaten bemüht. Bereits vor Wochen warnte Irans Revolutionsführer Ali Chamenei vor einem Krieg zwischen „schiitischen und sunnitischen Brüdern“, den die USA anzuzetteln versuchten und der gegen den islamischen Glauben gerichtet sei. Jeder islamische Staat solle wachsam sein, um nicht in diese Falle zu tappen, so Chamenei. Mehrere Angehörige der iranischen Staatsführung reisten in letzter Zeit nach Riad, um das saudische Königshaus umzustimmen, zuletzt Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad. Außer mit allerlei diplomatischen Floskeln geschmückten Erklärungen gab es allerdings wenig Ergebnisse, ähnlich wie bei der Konferenz in Bagdad.

Im Irak sind die USA inzwischen dazu übergegangen, iranische Staatsbürger massiv zu verfolgen. „Tötet sie oder nehmt sie gefangen“, lautet der entsprechende Befehl Präsident Bushs an die im Irak stationierten US-Soldaten. Seit Wochen befinden sich mehrere iranische Diplomaten in amerikanischer Gefangenschaft. Washington wirft Iran die Unterstützung terroristischer Gruppen im Irak vor. Doch Beweise, obschon seit Wochen wiederholt angekündigt, legte man dafür bislang nicht vor.

Iran bemüht sich um bessere Beziehungen zu Saudi-Arabien, um die Strategie der USA zu unterlaufen Teheran und die USA wollen beide Frieden im Irak. Aber jeweils nur zu ihren eigenen Konditionen

Im Iran selbst sind die USA bemüht, die ethnischen Konflikte anzuheizen, die auf die berechtigten Forderungen der nationalen Minderheiten im Iran nach Gleichberechtigung und innerer Autonomie zurückgehen. Tatsächlich haben sich die Unruhen und Anschläge in den Provinzen Aserbaidschan, Kurdistan, Chusistan und Belutschistan in letzter Zeit auffällig gehäuft.

So haben die USA zahlreiche Fallen aufgestellt, in die Ahmadinedschad und seine säbelrasselnden Radikalislamisten tappen – und den US-Streitkräften damit einen Anlass zu einem Militärschlag liefern – könnten. Die Vorbereitungen sind bereits getroffen, die Ziele festgelegt, genaue Pläne liegen vor. Nach Meinung von Experten könnte der Befehl zu einem massiven Luftangriff auf iranische Atomanlagen, militärische Einrichtungen und strategisch wichtige Punkte innerhalb weniger Stunden ausgeführt werden.

BAHMAN NIRUMAND