Arm und reich zugleich

In der Demokratischen Republik Kongo ist gestern die größte deutsche Unternehmerdelegation seit mehreren Jahrzehnten eingetroffen. 22 deutsche Geschäftsleute, geleitet vom Afrika-Verein in Hamburg, werden diese Woche in Kinshasa Gespräche mit allen führenden Politikern des Landes und Wirtschaftsvertretern führen. Weil sich viel mehr Unternehmen zur Reise angemeldet hatten als der Afrika-Verein auf einmal dort betreuen kann, soll in Kürze eine zweite Reise folgen.

Größter Wachstumsmarkt ist der Bergbausektor“, wirbt der Afrika-Verein für die Reise; „in diesem Zusammenhang sind größere Investitionen in moderne Fördertechnik absehbar, von denen auch deutsche Firmen aus der Bergbauindustrie profitieren können.“ Auch Telekommunikation, Öl und Chemie seien „interessante Wachstumsmärkte“.

Derzeit sind im Kongo nur wenige Unternehmen aus Deutschland präsent. Das wichtigste ist die süddeutsche Holzfirma Danzer, deren kongolesische Tochter Siforco der Besitzer der größten Regenwaldkonzessionen des Landes ist. Das deutsche Mikrokreditinstitut Procredit ist seit kurzem die größte Bank des Kongo. D. J.

AUS LUBUMBASHI DOMINIC JOHNSON

Der Malachit, den Tony Woodward seinen Besuchern zeigt, ist ein wahres Wunder, faustgroß und mit leuchtend türkisgrünen runden Auswuchtungen. „Da, wo der herkommt, gibt es noch viel mehr“, ruft der kanadische Minenleiter stolz.

Staubbedeckt steht er neben seiner Hütte in einer gigantischen Baustelle. Rohbauten von Förderanlagen, Lagerhallen, Separatoren, Schmelzöfen reihen sich aneinander, so weit das Auge reicht. Um die Ecke liegen lauter braune und graue Hügel – Erzhalden unterschiedlichen Mineralgehalts. Und dahinter erstreckt sich eine Mondlandschaft von Tagebaugruben, einzeln bis zu 30 Meter tief und von der Größe einer Kleinstadt, an deren Rändern der graue Sand mit grün und braun glitzerndem Geröll bedeckt ist. Wie Spielzeug muten da unten die großen gelben Bagger an, die die Grube noch weiter aushöhlen. 100 Meter Tiefe sollen es werden.

Die Kupfermine von Kinsevere im Süden der Demokratischen Republik Kongo gibt eine Ahnung dessen, was in diesem verelendeten Land möglich ist, wenn man Geld hat. 35 Millionen Dollar hat der australische Bergbauriese Anvil Mining hier bereits hineingesteckt, 90 Millionen sollen es noch werden. Stromtrassen, Straßen, eine komplette Bergbauinfrastruktur entsteht im Busch von Katanga in einem riesengroßen, abgeschotteten Gebiet, dessen Einfahrt misstrauisch von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht wird.

Geht es nach Kongos Regierung, soll das ganze Land auf diese Weise boomen. Nach den Wahlen des vergangenen Jahres und dem Machtabtritt der Warlords sollen die jahrzehntelang ausgeplünderten maroden Staatsbetriebe im Bergbau, allen voran „Gécamines“ im Kupfer- und Kobaltrevier der Südprovinz Katanga, solvente private Partner aus aller Welt bekommen, um dem Kongo seine Vormachtstellung in der globalen Mineralienwirtschaft zurückzuerobern.

Milliardeninvestitionen vor allem von Bergbaufirmen aus Kanada, Australien, Südafrika und den USA werden erwartet. Kongos Regierung rechnet im Bergbausektor mit Zuwachsraten von 12 Prozent im Jahr.

Der Fußballmäzen hilft

Anvil ist einer der ersten Investoren, der seine Versprechen auch umsetzt. Der Staatsriese Gécamines verpachtete Kinsevere 2004 für 25 Jahre an das private kongolesische Unternehmen MCK (Mining Company Katanga), und dieses bildete ein Joint Venture mit den Australiern von Anvil, die ansonsten in Katanga vor allem Silber fördern. Nun baut Anvil die Mine und MCK liefert Baumaschinen. Praktischerweise gehörte MCK bis vor kurzem dem schwerreichen Fußballmäzen Moise Katumbi, der im Januar zum Provinzgouverneur von Katanga gewählt wurde. Pünktlich zur Wahl stockte Anvil seinen Anteil am Joint Venture von 80 auf 95 Prozent auf und zahlte MCK dafür 45 Millionen Dollar.

Industrieller Bergbau war früher das Rückgrat der kongolesischen Wirtschaft. Das Land war der größte Kobaltförderer der Welt und einer der größten Kupferproduzenten, bis Diktator Mobutu aufhörte, in die Minen zu investieren und die Gewinne selbst einsteckte. Die Minen verfielen. Die Produktion der Gécamines liegt heute bei nur wenigen Prozent der Spitzenzeiten der 80er-Jahre. Die meisten Bergleute von damals sind sich selbst überlassen. Die mittellose Bevölkerung ging auf eigene Faust in die verlassenen Gruben, um zu holen, was zu holen war: Erze, Edelsteine, sogar Uran. Für die Schwellenländer Asiens wie China und Südkorea waren Katangas Schürfer die idealen Partner, weil einfach auszubeuten.

Wenn die großen Konzerne zurückkommen, soll mit der Schürferei Schluss sein. In Kinsevere, 25 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Lubumbashi, will sich nun Anvil beweisen. 20 Millionen Tonnen Rohstoff will der Konzern in der Mine aus dem Boden holen, das ergibt 865.000 Tonnen Kupfer. Bei einem Weltmarktpreis von derzeit 6.000 Dollar pro Tonne bringt das eine Menge Geld. Bei einem Anteil von höchstens 70 Dollar für Kongos Staat ist es für den Minenkonzern ein prächtiges Geschäft.

Viele Investoren haben mit Kongos Staat solche Verträge geschlossen, in denen für den Kongo kaum etwas bleibt – zum Leidwesen der Gécamines-Leitung. Die kongolesischen Unterzeichner haben für ihre Unterschriften meistens privat fette Provisionen kassiert. Die Gécamines würde die Verträge jetzt gern neu verhandeln. Bei Anvil ist sie allerdings froh, dass der Investor überhaupt investiert.

Bleibt für Anvil das Problem, dass in Kinsevere schon Schürfer Erze ausgruben. In ganz Kongo, so schätzen Experten, graben zwei Millionen Schürfer auf eigene Rechnung. Zusammen mit ihren Familien heißt das, dass ein Fünftel der kongolesischen Bevölkerung vom informellen Bergbau leben. Die Schürfer leisten 80 Prozent der Mineralienförderung des Landes. Aber in Kongos Entwicklungsplänen kommen sie nicht vor.

Überall im Kongo, wo Investoren in die Minen wollen, finden sie erst einmal diese unabhängigen Schürfer vor. Der Gegensatz zwischen lukrativen Überlebensökonomie und den industriellen Bergbauinvestoren ist der nächste große kommende soziale Konflikt im Kongo nach den Kriegen der letzten Jahre.

In ganz Afrika, in Goldminen von Ghana bis Simbabwe und in Diamantengebieten von Angola bis Sierra Leone, gibt es ähnliche Probleme. „Dieser Konflikt“, warnt Kleinbergbauexperte Kevin D’Souza, der für die Weltbank Studien zum Bergbau betreibt, „wird von Misstrauen und Feindseligkeit auf beiden Seiten bestimmt. Die bestehenden Regeln für den Bergbau greifen da nicht. Wir müssen den Kleinbergbausektor formalisieren und überlebensfähige Gemeinschaften aufbauen“. Staat und Konzerne müssten die Bergleute anerkennen und mit ihnen zusammenarbeiten.

Sicherheitschef „Tiger“

Anvil hat zur Arbeit mit den Schürfern und den lokalen Bevölkerungen rund um Kinsevere die von der US-Entwicklungshilfe finanzierte US-Nichtregierungsorganisation „Pact“ angeheuert. Von den 500 Schürfern in Kinsevere wurden 190 sofort als Bauarbeiter angestellt, sagt die irische Pact-Projektleiterin Karen Hayes. Der renitenteste von ihnen, genannt „Tiger“, erhielt einen Job als Sicherheitschef und war zufrieden. Inzwischen arbeiten etwa 350 der Schürfer bei Anvil.

Das ist eine respektable Leistung. Anderswo geht die Konfrontation zwischen Bergleuten und Konzernen nicht so glimpflich ab. In Ruashi am Stadtrand von Lubumbashi gibt es regelmäßig Auseinandersetzungen zwischen Schürfern und Polizei, weil sich dort zwei Konzerne um die Minenrechte streiten und einer immer versucht, die Schürfer des anderen zu verjagen.

In der Nähe der Stadt Kolwezi starben letztes Jahr vier Schürfer bei einer bewaffneten Konfrontation auf einer Anvil-Mine. Gegen den Konzern läuft im Kongo ein Militärgerichtsverfahren, weil 2004 auf Anvils Silbermine Kilwa eine Revolte blutig von der Armee niedergeschlagen wurde – die Soldaten sollen sich mit Anvil-Fahrzeugen bewegt haben. Der Konzern lehnt dafür jede Verantwortung ab, aber der Prozess läuft.

Die Partnerschaft zwischen Anvil und Pact in Kinsevere versteht sich da als Pilotprojekt, um lokale Bevölkerungen mit dem industriellen Bergbau zu versöhnen. Der Konzern muss sein Image aufpolieren.

Im Dorf Mumba, unweit der Mine von Kinsevere, scheint er das geschafft zu haben: Als die Delegation von Pact eintrifft, gibt es großen Jubel und Trubel, die Frauen tanzen im Kreis und singen Loblieder auf Anvil. Pact-Mitarbeiter zeigen wie auf einem Open-Air-Theaterfest ihre Leistungen: Hier erläutert „Papa Agronome“, wie man mit Düngemittel die Maisstauden größer macht; dort lässt „Mama Scolastique“ die Dorffrauen unter einem Baum das Alphabet aufsagen.

Kein Brunnen im Dorf

Es ist ein surreales Schauspiel. Eine Theatereinlassung zeigt, wie der Chef des Wasserkomitees den Bäuerinnen einschärft, nicht Flusswasser zu benutzen, sondern nur Wasser aus dem Brunnen, damit die Kinder nicht krank werden. Es gibt in dem Dorf aber gar keinen Brunnen. Egal: „Pact und Anvil werden kommen und den Brunnen bauen“, erläutert ein Mann zuversichtlich.

Selbstbestimmte Entwicklung sieht anders aus. Den Bäuerinnen gehört nicht einmal das Land, das sie bebauen. Wenn sie die Dünger von Pact benutzen, verschulden sie sich automatisch, und sie bestimmen nicht einmal selbst, wie viel von ihrer Maisernte dann als Rückzahlung einbehalten wird.

Für Jean-Claude Katende, Chef von Katangas größter Menschenrechtsorganisation „Asadho“ und Leiter der internationalen Kampagne für Transparenz im Rohstoffsektor „Publish What You Pay“ im Kongo, ist die Partnerschaft zwischen Hilfswerk und Bergbaukonzern Augenwischerei. „Anvil sagt, sie stecken eine Million Dollar in soziale Projekte und geben Pact das Geld. Pact behält davon 60 Prozent als Verwaltungskosten, und dann entstehen Schulgebäude ohne Türen, in denen die Lehrer nach ein paar Monaten kein Gehalt mehr kriegen. Es stimmt: Pact und Anvil tun mehr als die anderen. Aber sie tun nicht das Richtige. Laut Gesetz müssen 10 Prozent der Profite im sozialen Sektor investiert werden.“

Das wären, gemessen an den Kupferpreisen, Milliarden. Und die gibt es für die Menschen in Katanga nicht. Pact verteidigt sich: Ohne uns würden die Konzerne überhaupt nichts machen. Man könne nicht warten, bis alles perfekt sei, um wenigstens ein bisschen zu bewegen. „In zwei Jahren wird diese ganze Region nicht wiederzuerkennen sein“, warnt Karen Hayes. „Diese zwei Jahre werden kritisch.“