Schlagstarke Jecken

Die Volleyballer des VfB Friedrichshafen haben die Chance, die Champions League zu gewinnen. Doch bis es eventuell so weit ist, gehen sie in der Liga ihrer Arbeit nach und schlagen Leipzig mit 3:0

„Wir versuchen unsere Ziele mit jungen, hungrigen Spielern zu erreichen“

VON FELIX MEININGHAUS

Manchmal müssen sich die Volleyballer vom VfB Friedrichshafen fühlen wie ein Jeck, der am Aschermittwoch zu seinem Arbeitsplatz zurückkehrt, nachdem er eine Woche im Kölner Getümmel untergetaucht war. Es fällt einfach schwer, zur Routine überzugehen, wenn man so exzessiv gefeiert hat.

Die Friedrichshafener haben das am Samstag erlebt, als sie den VC Leipzig mit 3:0 (25:22, 25:22, 25:18) geschlagen haben. „Wir haben das Spiel gewonnen, so wie wir uns das vorgenommen haben“, hat Co-Trainer Ulf Quell danach nüchtern verkündet. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist nun mal kein leichtes Unterfangen, sich für den schnöden Ligaalltag zu begeistern, wenn man so viele Festtage hinter sich hat wie die Volleyballer aus Friedrichshafen.

Vor zwei Wochen hat sich der Meister vor über 10.000 Zuschauern im ostwestfälischen Halle mal wieder den nationalen Pokal geholt, vergangenen Dienstag hat der VfB in der Champions League den Titelverteidiger aus Treviso eliminiert; das Team kommt aus Italien, dem gelobten Land der Volleyballer, ist mit Weltstars gespickt und lächelt eigentlich nur müde, wenn der Kontrahent aus deutschen Landen kommt. Gerade deshalb ist dieser Erfolg so hoch zu bewerten. Es ist ein bisschen so, als würde Energie Cottbus Real Madrid aus dem Stadion der Freundschaft schießen. Um diese Sensation richtig einzuordnen, erzählt VfB-Manager Stefan Mau gern folgende Anekdote: „Neulich habe ich einen Anruf von den Organisatoren der Champions-League-Finalrunde in Moskau bekommen, bei dem es um Visa-Formalitäten ging. ‚Gute Frau‘, habe ich zu der Dame aus Russland gesagt, ‚kennen Sie die Auslosung? Sie werden sich die Mühe sparen können.‘ “

Trainer Stelian Moculescu und seine Spieler haben ihren Manager eines Besseren belehrt. Seit der Rumäne sich nach den Olympischen Spielen 1972 in München von seiner Mannschaft abgesetzt hat, ist er in Deutschland zum Übervater der Szene geworden. Fast 40 Titel hat er als Spieler, Spielertrainer und Trainer gesammelt. Seit zehn Jahren ist der Mann, der in Personalunion auch noch die Nationalmannschaft führt, in Friedrichshafen im Amt und hat aus dem ewigen Zweiten den unumstrittenen Branchenführer gemacht.

Neulich ist Moculescu für sein Lebenswerk mit dem „Volleyball-Award“ ausgezeichnet worden, der höchsten Auszeichnung, die hierzulande in dieser Sportart zu vergeben ist. In seiner Laudatio hat der ehemalige Verbandspräsident Roland Mader den Erfolgshunger des VfB-Trainers gepriesen: „Grund dafür ist seine Maxime, die lautet: Ich will gewinnen, gewinnen, gewinnen.“

Immer gelingt das allerdings selbst Moculescu nicht: Während die langen Kerls vom Bodensee in der europäischen Königsklasse glänzen, tun sie sich in der Liga derzeit etwas schwer. Nach Niederlagen gegen Berlin, Düren und Wuppertal werden sie in der Tabelle derzeit auf der ungewohnten Position zwei notiert. Mau hat damit kein Problem, schließlich weiß er, dass sich Vereine auch zu Tode siegen können. „Je enger die Spiele werden“, sagt der Manager, „desto lieber kommen die Leute in die Halle.“

Die Friedrichshafener haben sowieso Größeres vor, als sich Jahr für Jahr das Double zu holen: In zwei Jahren wollen sie die Endrunde der Champions League in der heimischen Arena ausrichten und bis dahin eine Mannschaft geformt haben, die stark genug ist, sich die europäische Krone aufzusetzen. Stars aus Brasilien oder Russland werden sie jedoch auch in Zukunft nicht holen können. „Das sind Dimensionen, die nur in Italien gehen“, sagt Mau. Wir müssen weiter versuchen, unsere Ziele mit jungen, hungrigen Spielern zu erreichen.“ Und wenn der große Wurf bereits in zwei Wochen beim Final-Four-Turnier in Moskau gelingt, hätte der Manager nichts dagegen: „Das würde unsere Planungen nicht stören. Im Gegenteil: Es würde uns einen zusätzlichen Schub geben.“