Tempelhof kommt nicht zur Ruhe

Die Bahn erneuert ihr Angebot, den Flughafen weiterzubetreiben. Die CDU bemüht den Bundestag. Der Streit um Tempelhof tobt. Mit einem Nachnutzungskonzept will der Senat endlich Ruhe schaffen

von SVEN KULKA

Der Flughafen Tempelhof kommt nicht zur Ruhe: Um den 85 Jahre alten Airport vor der Stilllegung durch den rot-roten Senat zu bewahren, bemüht die CDU jetzt auch den Bundestag. Ein fraktionsübergreifender Antrag mit dem Titel „Flugverkehrskonzept für den Großraum Berlin überprüfen – Flughafen Tempelhof offen halten“ wurde von 69 Parlamentariern unterzeichnet, teilte der Abgeordnete Karl-Georg Wellmann (CDU) Ende der Woche mit. Auf die Tagesordnung könnte er Ende April kommen. Auch sonst tobt der Streit um Tempelhof, der im Herbst 2008 eingemottet werden soll, heftig wie nie zuvor. Haben die Tempelhof-Fans Aussicht auf Erfolg – oder ist das alles nur Gedröhn?

Was will die Deutsche Bahn? Sie will den Airport – in Kooperation mit dem Investor Fred Langhammer – weiterbetreiben. Wie genau die Bahn das machen will, verrät sie aber nicht. Das Unternehmen will die Berliner Flughafengesellschaft (BFG) als Betreiberin ablösen und mit ihren Partnern einen Sonder- und Geschäftsflugbetrieb anbieten, sagt Bahnsprecherin Gabriele Schlott. Der Bahn schwebt ein Sonderflughafen vor, auf dem Privatmaschinen starten und landen dürfen. Der Bau des Großflughafens Schönefeld werde dadurch juristisch nicht gefährdet. Wie die Pläne konkret aussehen, verrät die Sprecherin nicht. Die Abmeldung Tempelhofs ist – neben der Abmeldung Tegels – die Voraussetzung für den Großflughafen, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das Verfahren letztinstanzlich abgesegnet.

Was wollen die beiden Investoren? Fred Langhammer und der Kosmetikunternehmer Ronald S. Lauder haben große Pläne für den von den Nazis erbauten Flughafen Tempelhof. Sie wollen das Flughafengebäude sanieren und dort ein Gesundheitszentrum, ein Hotel und ein Tagungszentrum einrichten. Dass der Airport weiterhin von privaten Flugzeugen genutzt werden kann, ist für sie Bedingung – nur dann habe das Zentrum ein Alleinstellungsmerkmal. Sie kündigten an, 350 Millionen Euro zu investieren und mehr als 1.000 Arbeitsplätze zu schaffen. Als Partner werden in einem offenen Brief unter anderem die Deutsche Bahn, Siemens und die Berliner Charité genannt.

Was hält der rot-rote Senat von solchen Plänen? Kurz gesagt: nichts. „Das Konzept der Deutschen Bahn und der Investoren überzeugt in keiner Weise“, sagt Manuela Damianakis, Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Es sehe nicht vor, den Flugbetrieb einzustellen. „Und wenn diese rechtlich festgelegte Voraussetzung nicht erfüllt wird, ist der Bau des Großflughafens Berlin Brandenburg International gefährdet.“ Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) schließt deshalb die Fortsetzung jeglichen Flugverkehrs in Tempelhof aus. „Die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ist nicht davon abhängig, dass in Tempelhof ein eingeschränkter Betrieb für Geschäftsflüge aufrechterhalten wird“. Ihr brandenburgischer Kollege Reinhold Dellmann (SPD) pflichtet ihr bei. „Investoren, die das Flughafengebäude und das Gelände nutzen wollen, müssen definitiv ohne Flugverkehr auskommen.“

Was denkt die Bundesregierung? Was für den Senat feststeht, ist für den Bund noch nicht das letzte Wort. Zumindest lässt das Finanzministerium derzeit die Möglichkeit eines Weiterbetriebs prüfen. Ein Rechtsgutachten soll klären, was man mit der Liegenschaft Tempelhof künftig machen könne und welche Möglichkeiten sich dort für Investoren böten. Es gehe auch um die Frage, ob in den nächsten Jahren Flugverkehr in geringem Umfang möglich sei, ohne den geplanten Großflughafen in Schönefeld zu gefährden, sagt Staatssekretär Werner Gatzer vom Finanzministerium. Der Bund handelt aus knallhartem Eigeninteresse. Noch bezahlt die Berliner Flughafen-Gesellschaft für das riesige Flughafengebäude. Im Falle der Stilllegung muss der Bund alle Reparaturen und Wartungsarbeiten übernehmen.

Was passiert mit dem riesigen Gelände? Dort, wo jetzt das Flugfeld ist, soll sich Gras im Wind wiegen, die Rändern schöne Gebäude säumen. Richtung Neukölln sollen Wohnhäuser und am Terminalgebäude in Richtung Tempelhof Dienstleistungs- und Gewerbegebäude entstehen. „Unsere Stadtplaner konkretisieren derzeit die Vorschläge“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung. Dabei soll die Grünfläche kein gestylter Park werden, sondern, ökologisch vielfältig gestaltet, vor allem das Stadtklima regulieren – in Zeiten des Klimawandels eine höchst aktuelle Idee. Damit befindet sich die Verwaltung nicht nur im Einklang mit Naturschützern, sondern auch mit den Grünen im Abgeordnetenhaus.

Was wollen die Bürger? Ginge es nach der frisch gegründeten Bürgerinitiative zur Nachnutzung des Flughafens Tempelhof (Nanu THF), sollen Gelände und Gebäude in Zukunft „sozial, umweltgerecht und innovativ“ genutzt werden. Eine Arbeitsgruppe aus grünen Politikern, Anwohnern, Künstlern, Architekten und Lehrern von umliegenden Schulen erarbeitet derzeit verschiedene Ideen, die sie im Oktober der Öffentlichkeit vorstellen will. „Ein Wiesenmeer ist nicht genug“, sagt Sprecher Thomas Maier. Der Plan der Investoren, ein Medizinzentrum einzurichten und den Betrieb des Flughafens der Bahn zu übertragen, führe nicht zu einer Verbesserung des Wohnumfeldes.

Wie diskutiert die Politik? „Viel mehr Dampf“, fordert SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller in der Diskussion um den Airport. Unstreitig sei, dass eine Freifläche entstehen werde. Wie die riesigen Gebäude allerdings genutzt werden könnten, sei derzeit noch offen. Für CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger hingegen ist die Schließung „keine brauchbare Vision“. Er plädiert dafür, dass ein eingeschränkter Flugbetrieb weiter möglich sein muss, damit das Konzept der amerikanischen Investorengruppe und der Bahn AG umgesetzt werden könne.

Sind nur CDU, Wirtschaft und Investoren für den Weiterbetrieb? Nein. Die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (Icat) kämpft für den Erhalt des Flugverkehrs. Bis 25. März sammelt die Bürgerinitiative dafür Unterschriften. Dann wird sie die Sammlung beim Landeswahlleiter einreichen und den zweiten Schritt eines Volksbegehrens starten. „Wir kritisieren vor allem das Aus von Tempelhof, bevor der BBI eröffnet wird“, sagt Icat-Sprecher Wolfgang Przewieslik. Es sei Unsinn, Tempelhof zu schließen und in Finow und Schönhagen neue Regionalflughäfen einzurichten, die außerdem eine Konkurrenz für den BBI darstellen würden.