Tagesmuttis sollen Kitaplätze ersetzen

Statt vieler Krippen soll es nun Kitaausbau light geben: Von der Leyen will, dass sich stattdessen auch mehr Tagesmütter um die Kleinen kümmern sollen. Bildungsgewerkschaft moniert, dass es in der Tagespflege „keine ausgebildeten Fachkräfte gibt“

VON CHRISTIAN FÜLLER
UND COSIMA SCHMITT

Seit Wochen beherrscht Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Diskussion um die Kinderkrippen. Nun hat sie klargestellt, was sie unter dem Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige versteht: den verstärkten Einsatz von Tagesmüttern. „Wir denken, dass mindestens ein Drittel der 500.000 Plätze bei Tagesmüttern geschaffen wird“, sagte von der Leyen in einem FAZ-Interview. Darin umriss sie auch das Konzept eines „konservativen Feminismus.“

Am Nachmittag präzisierte von der Leyen, was sich die Öffentlichkeit darunter vorzustellen hat: „Mir geht es darum, dass wir uns nicht scheuen, wertkonservativ zu sein – etwa für andere einzustehen. Aber unter keinen Umständen sollten wir strukturkonservativ zu sein“, sagte sie bei einer Buchvorstellung in Berlin. Zu dieser Linie gehöre es, dass man beiden Geschlechtern ermögliche, „ihre Rolle zu erweitern“. Männer sollen laut von der Leyen nicht nur aktive Väter sein, sondern auch aktive Söhne: Sie sollen es nicht ihren Frauen überlassen, gebrechliche Eltern zu umsorgen.

Der zentraler Punkt des „konservativen Feminismus“ aber dürfte der Kitaausbau sein. Im Koalitionsvertrag war eine Aufstockung der bisher rund 250.000 Krippenplätze für Null- bis Dreijährige um weitere 250.000 Plätze vorgesehen. Von der Leyen hatte dies auf 500.000 verdoppelt. Dass sie das, wie nun deutlich wird, verstärkt durch Tagesmütter erreichen will, stößt bei Experten auf Kritik.

„Wir haben in der Tagespflege keine ausgebildeten Fachkräfte“, sagte Norbert Hocke vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der taz. „Anders als in Österreich oder Dänemark gibt es in Deutschland nur in zwei Ländern Gesetze, dass Tagesmütter ausgebildete Erzieherinnen sein müssen – in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.“ Tagesmütter sind also noch geringer qualifiziert als die deutschen Erzieherinnen, die europaweit das niedrigste Bildungsniveau aufweisen

Mit einer raschen Einigung ist bei der Kinderbetreuung ohnehin nicht zu rechnen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm dämpfte gestern Hoffnungen, dass es beim Koalitionsausschuss Mitte April ein Ergebnis geben werde. Einig sei die Koalition, „dass wir hier zu einem Ausbau kommen müssen.“ Ausbauüberlegungen und Zielgrößen müssten jedoch zunächst umfassend dargelegt werden.

Die Schaffung neuer Krippenplätze ist in der Union umstritten. Von der Leyen geht davon aus, dass bis 2013 rund 750.000 Kitaplätze für unter Dreijährige in Deutschland nötig sind. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder hatte den Bedarf bezweifelt und weitere Prüfungen verlangt.

Bei der Finanzierung des Krippenausbaus gehen die Vorstellungen in der großen Koalition weit auseinander. Von der Leyen plädiert dafür, ihn aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu bezahlen. Vorschläge der SPD, das Kindergeld nicht zu erhöhen und Steuervorteile für Ehepaare zu beschneiden, lehnte sie erneut ab.

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