ADRIENNE WOLTERSDORF über OVERSEAS
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Mit Gott durch Kentucky

Eigentlich wollte ich nur Bourbon testen – aber dann fand ich zum Herrn. Er war schon da

Es ist mir schon ziemlich gut gelungen, einen der meistbeschäftigten Männer aus dieser Kolumne herauszuhalten: Gott. Besser bekannt als: Oh, my God! Oder schlicht: The Lord. Aber ich kann nicht ein Jahr lang eine Kolumne aus Amerika schicken und ihn jedes Mal mühsam verschweigen. Voila, hier ist er. Ich wollte mir letztes Wochenende gemeinsam mit dem Liebsten das Bourbon-Land in Kentucky anschauen, da wo Jim Beam herkommt und die Pferde in Stallpalästen wohnen. Doch was immer wir ansteuerten, Er war schon da. Er war in Jeff, dem Kellner, der uns in einem Steakhaus in London, Kentucky, bediente und uns zwischen Bier und Rechnung seine ganze Lebensgeschichte erzählte. Wir erhielten mit unserem Steak von Jeff auch die Information, dass Gott auf jeden Fall existiert. Der junge rothaarige Kellner schlug sich dabei mit der Grillsaucenflasche so heftig aufs Herz, dass wir nicht zu widersprechen wagten.

Gott war auch überall am Straßenrand. Auf unserer Fahrt westwärts erfuhren wir, dass er sich in diesen harten Zeiten offenbar auch schon mit wenig zufrieden gibt. In verstaubten Kirchen- Schaukästen standen Sätze wie: „Gott lässt sich auf Verhandlungen ein.“ Oder „Gott wartet auf Deinen Anruf!“ Dann wieder Gott auf Pferdetransportern, auf Lederjacken von Motorradfahrern, Gott auf Tanksäulen und Gott im Museum.

Ein Museum, ganz der Woche gewidmet, in der er uns erschaffen hat. Es ist noch nicht ganz fertig, aber das „Kreationisten-Museum“ (Motto: „Fertig machen zum Glauben“) im nördlichen Kentucky verspricht, Charles Darwin und seine Evolutionstheorie auf den Schrotthaufen der Geschichte zu werfen. Im Juni soll es losgehen mit den Fakten zur wahren Schöpfungsgeschichte. Erst neulich habe ich gelesen, dass knapp jeder zweite US-Bürger glaubt, die Welt sei in sieben Tagen erschaffen worden. Seitdem überlege ich mir immer, wie sich das wohl auf Gottes Alltag auswirkt. Die Kreationisten glauben, die Welt sei etwas mehr als 6.000 Jahre alt – und schon muss sich Gott mit seiner übellaunigen Schöpfung auf „Verhandlungen“ einlassen? Und wozu soll er Dinosaurier erschaffen haben, wenn viele gar nicht wahrhaben wollen, dass es sie gab? Doch laut dem evangelikalen Reverend Joel Osteen, der mir im ersten Programm, natürlich dem Kirchensender, entgegenstrahlt, als ich im EconoMotel den Fernseher anschalte, ist das für Gott kein Problem. Denn er ist stets gut drauf. Offenbar ist auch Osteen stets gut drauf. Jeden Sonntag predigt er vor einer Gläubigenschar, die bis auf den letzten Sitz das Sportstadion füllt, in das der knackige Reverend vor zwei Jahren wegen Überfüllung umziehen musste. Woche für Woche hängen ihm rund 42.000 Menschen an den Lippen. Osteen soll übrigens der bestbezahlte Sachbuchautor aller Zeiten sein: knapp 20 Millionen Dollar hat er als Vorschuss für sein nächstes Buch erhalten.

Im neuen Museum gibt es einen Nachbau der Arche Noah. Weil sich Kenner schon immer über Zeichnungen und Arche-Modelle mokierten, die niemals seefähig gewesen wären, haben die Kreationisten wenigstens echte Schiffsbauer mit einem Nachbau beauftragt, der auch schwimmen kann. Auf dem Modell sind jedenfalls auch ein paar Dinos zu erkennen, ganz hinten, denn irgendwie müssen sie ja dabei gewesen sein. Das Museum hat sogar eine Abteilung „Universum“, die obendrein betreut wird von einem promovierten Astrophysiker, der aber auch wortwörtlich glaubt, was die Bibel so über die Schöpfung schreibt. Dieser Wissenschaftler ist ganz ernsthaft der Meinung, dass Gott die Sterne vor 6.000 Jahren rund um uns herum aufgehängt habe. Der Museumsdirektor des imposanten Baus ist der frühere Naturkundelehrer Ken Ham. Zur Frage, wie das denn sei mit den frühen Menschenfunden, mit Lucy und dem Neandertaler, hat er eine verblüffend einleuchtende Antwort: Das seien Behinderte, solche Menschen würde man auch auf den Straßen von New York treffen! Nach einem Wochenende in Kentucky kann ich nur raten: Vergessen Sie den Bourbon. Gott hat definitiv mehr Umdrehungen.

Fragen zu Gott? kolumne@taz.de MORGEN: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN