Geklaute Schrottkisten landen in Afrika

Die Kriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 1989. Bei einzelnen Delikten gab es 2006 aber eine Zunahme, etwa beim Diebstahl alter Autos. Hoher Anteil junger Männer nichtdeutscher Herkunft bei Rohheitsdelikten

Jedes Jahr, wenn die Narzissen in den Grünanlagen ihre Knospen entfalten, beglücken Innensenator und Polizeipräsident Parlament und Bevölkerung mit der aktuellen Verbrechensstatistik. Wenn die Zahlen gestiegen sind, schimpft die CDU, dass zu wenig Polizisten auf der Straße sind. Sind die Zahlen gesunken, liegt auch das am mangelnden Grün: Mehr Polizisten fallen mehr Straftaten auf, so die Logik der Union. „Es ist ein übliches Ritual“, amüsierte sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses über seine Kritiker. Dann frohlockte er: „Berlin ist wieder ein bisschen sicherer geworden.“ Im Vorjahr hatte er fast genau das Gleiche gesagt.

Die Zahlen: 2006 wurden in Berlin so wenig Straftaten registriert wie seit der Wende nicht mehr. 496.797 Delikte (2,4 Prozent weniger als 2005) wurden insgesamt erfasst. Die Aufklärungsquote stieg um 2,4 Prozentpunkte auf 50,2 Prozent. Ein Rückgang ist besonders zu verzeichnen bei Diebstahl (– 8,3 Prozent), Rauschgiftdelikten (– 14,5), Urkundenfälschung (– 20,8) sowie Geld- und Wertzeichenfälschung (– 51,2). Zugenommen haben Kindesmisshandlung (+ 19,3 Prozent), Rohheitsdelikte (+ 4), Warenkreditbetrug, der zunehmend über Internet abgewickelt wird (+ 15,1) sowie politisch motivierte Kriminalität (+ 23) und Mord und Totschlag (+ 16).

Diebstahl: Der rückläufige Trend der letzten Jahre setzt sich fort. Vor allem Autos werden weniger geklaut, was die Polizei auf die „technische Modifizierung“ der Wegfahrsperre zurückführt. Dafür hat der Diebstahl von Fahrzeugen zugenommen, die älter als zwölf Jahre sind. Angeblich gibt es in Afrika einen Markt für die Schrottkisten.

Mord und Totschlag: Der Anstieg ist auf den Amoklauf eines jungen Mannes bei der Eröffnung des Hauptbahnhofs zurückzuführen. Dabei wurden 37 versuchte Mordtaten erfasst.

Rohheitsdelikte: Dazu zählen Körperverletzung und Raub. Die meisten Tatverdächtigen sind unter 21. In dieser Rubrik finden sich die oft beschriebenen jugendlichen Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund wieder. Junge Männer nichtdeutscher Herkunft treten bei den Rohheitsdelikten in Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil zwei- bis dreimal häufiger in Erscheinung als gebürtige Deutsche.

Die Strafverfolgungsbehörden reagieren auf die zunehmende Jugendgewalt mit einer Spezialbetreuung der sogenannten Schwellen- und Intensivtäter. Körting freute sich gestern über die zunehmend härteren Urteile der Gerichte. Die heutige Justiz sei nicht mehr so lasch wie die 68er-Richtergeneration, die den jugendlichen Schlägern entschuldigend über den Kopf gestreichelt habe, nach dem Motto: „Der ist doch nur ein Opfer seiner Verhältnisse.“

Politisch motivierte Kriminalität: Der deutliche Anstieg ist auf eine Zunahme der Propagandadelikte und rechtsextremen Gewalttaten zurückzuführen – von 52 (2005) auf 110 (2006). Fremdenfeindliche Körperverletzungen sind von 15 Fällen (2005) auf 47 Fälle gestiegen. Ursache dafür könnte ein mit dem Einzug der NPD in vier Bezirksverordnetenversammlungen verbundenes gesteigertes Selbstbewusstsein der Rechten sein, vermutet die Polizei.

Kindesmisshandlung: Polizeipräsident Dieter Glietsch zufolge werden nicht mehr Kinder als in den Vorjahren misshandelt. Die Zunahme der Zahlen führt er auf die intensive Öffentlichkeitsarbeit zurück. „Das Dunkelfeld wird aufgehellt“, so Glietsch.

In Anlehnung an die Titelgeschichte des Spiegels von dieser Woche zog der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, gestern am Ende der Sitzung das Fazit: „Berlin ist im internationalen Maßstab eine sichere und attraktive Stadt.“ PLUTONIA PLARRE