Die Ruhe vor dem Gipfelsturm

Ein Bündnis aus rund 40 linken Initiativen will am Sonntag mit einer Demo gegen den EU-Gipfel protestieren. Erwartet werden 5.000 Teilnehmer. Die Polizei geht von einem friedlichen Verlauf aus

VON FELIX LEE

Eigentlich hatten sich die Globalisierungskritiker darauf geeinigt, bei den Protesten beim EU-Gipfel in Berlin kürzerzutreten – zu viel Vorbereitung steht für die Proteste gegen den G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm noch an. Lediglich ein Alternativkongress zeitgleich zum offiziellen Gipfel an diesem Wochenende hatte Attac geplant; „statt einer rückwärts gerichteten elitären Jubelfeier“ wollte die Organisation die „tatsächlichen Probleme der EU anzusprechen“. Doch nun haben sich die Globalisierungskritiker zusammengerauft. „Wir haben spontan entschieden“, sagt Mario Sperling, Sprecher des ebenfalls spontan ins Leben gerufenen „Berliner Bündnisses gegen den EU-Gipfel“. Es wird also am Sonntag eine Demo als „Kontrastprogramm“ zu dem EU-Gejubel geben.

Die Initiative ging vom „Netzwerk linker Opposition“ aus, einem bundesweiten Zusammenschluss vor allem von WASG-Mitgliedern, die ihren Schwerpunkt in der außerparlamentarischen Arbeit sehen. Längst haben sich neben Attac und Sozialforum rund 40 weitere linke Gruppen und Initiativen drangehängt. Sie wollen unter dem Motto „Nein zum Europa des Kapitals“ ihre Kritik an der EU lautstark zum Ausdruck bringen.

„Dieses Europa steht nicht für ein menschenwürdiges Leben für alle – sondern für eine Intensivierung der ökonomischen Ausbeutung, den Abbau erkämpfter Rechte, (…) eine rassistische Flüchtlingspolitik (…) und Angriffskriege“, heißt es in einem Aufruf eines sogenannten Antikolonialen und antikapitalistischen Blocks. Das Berliner Sozialforum kritisiert, dass spätestens seit der 2000 verabschiedeten „Lissabon-Strategie“, die Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt machen soll, gezielt Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt werde. Und die 16 europäischen Attac-Sektionen wollen am Wochenende gemeinsam „zehn Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag“ vorstellen, auf denen ihnen zufolge ein „neuer EU-Vertrag“ fußen sollte. „Die Europäische Union hat nur eine Zukunft, wenn sie demokratisch und sozial verfasst ist und der europäischen Bevölkerung breite Partizipationsmöglichkeiten bietet“, heißt es in einer Attac-Voraberklärung.

Mit rund 5.000 TeilnehmerInnen rechnet Bündnissprecher Sperling bei der Demo, die am Sonntag um 13 Uhr auf dem Alexanderplatz beginnen soll. Die Route steht allerdings noch nicht fest. Die Veranstalter fordern, dass sie ihre Abschlusskundgebung in unmittelbarer Nähe der offiziellen EU-Feierlichkeiten am Brandenburger Tor abhalten dürfen. Doch die Versammlungsbehörde will die Demonstranten offenbar hinter dem Bahnhof Friedrichstraße verbannen, heißt es zumindest vonseiten der Initiativen. „Unser Protest richtet sich gegen die EU-Staatschefs, die sich im Regierungsviertel treffen“, sagt Sperling. Dies an entsprechendem Ort zum Ausdruck zu bringen, sei gutes Recht. Die Versammlungsbehörde dementiert: Ihr sei nichts bekannt, dass die Demonstranten nicht zum Brandenburger Tor ziehen dürften.

Polizeipräsident Dieter Glietsch hat bereits am Wochenende mitgeteilt, dass die Demonstration ihm die geringsten Sorgen bereitet. Seine Behörde erwarte vor allem friedlich gestimmte Anhänger von Friedensbewegung, Globalisierungskritikern und Linken. Sorge bereiteten ihm kleine, zum Teil völlig unkalkulierbare autonome und militante Gruppen.

Protestsprecher Sperling kritisiert hingegen die von Sicherheitsbehörden gezielt lancierten Spekulationen über die Gewaltfrage. Damit werde versucht, die Teilnehmer in gute und böse Demonstranten zu spalten. Dies sei absurd. Niemand im Bündnis hätte auch im Geringsten in Erwägung gezogen, von der Demonstration aus Gewalt auszuüben. „Die Gewaltfrage kommt allein von der Polizei.“