Deutschland, nachsitzen!

Der UN-Berichterstatter für Bildung, Vernor Muñoz, bestätigt die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems

Die Reform des deutschen Bildungssystems erfordert inhaltliche und strukturelle Reformen

Das deutsche Bildungssystem hat eine ausgrenzende Wirkung gegenüber Kindern bestimmter Randgruppen, heißt es in dem Bericht, den der UN-Sonderberichterstatter auf das Recht auf Bildung, Vernor Munoz Villalobos, gestern vorgestellt hat. Dazu gehörten „Kinder aus unteren sozialen Schichten, Kinder von Migranten oder Kinder, die mit Behinderungen leben“.

Die frühe Einstufung in die Sekundarstufe aufgrund persönlicher Beurteilung des Schülers durch den Lehrer sorge für eine geringe Durchlässigkeit des Bildungssystems, besonders die hohe Gewichtung der Deutschkenntnisse wirke sich für Zuwanderer diskriminierend aus. Für Kinder ausländischer Herkunft brächten „Defizite in der Muttersprache Probleme in der weiteren Schullaufbahn“ mit sich.

Auch die Rechte von Flüchtlingen auf Bildung würden nicht ausreichend berücksichtigt. Viele Kinder und Jugendlichen blieben aus Angst vor Abschiebung der Schule fern. Negativ auf den Schulbesuch von Flüchtlingen wirke sich die Pflicht aus, dass Schulleiter Kinder ohne Aufenthaltsgenehmigung melden müssen.

Auch Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen würden im Bildungssystem unzureichend Chancen gewährt. Munoz kritisierte, dass die „Einbeziehung von behinderten Menschen in die Regelschule nicht die Norm ist“. Die meisten Kinder mit Behinderungen besuchen in Deutschland Sonderschulen. Dies führe zu einer Absonderung dieser Schüler anstatt dass sie in das reguläre Bildungsumfeld eingegliedert werden. Die frühkindliche Bildung in Deutschland müsse verbessert werden, um die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen. Da diese jedoch nicht Pflicht ist, sollten Eltern angeregt werden, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken. Die Plätze müssten kostenlos sein. Der Kindergartenbesuch wirke sich positiv auf Kinder mit Migrationshintergrund aus.

Deutschland müsse eine nationale Debatte über die Beziehung zwischen den derzeitigen Bildungsstrukturen und dem Phänomen der Ausgrenzung oder Marginalisierung von Schülern, insbesondere mit Migrationshintergrund und Behinderungen führen, so Munoz. FLORIAN HOLLENBACH