Wenig Licht im Lobbyisten-Dschungel

Interessensvertreter sollen sich künftig bei der EU-Kommission registrieren lassen und ihre Geldgeber offenlegen – allerdings freiwillig und ohne ernsthafte Sanktionen. Auf strengere gesetzliche Regeln konnte sich die EU nicht einigen

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

EU-Lobbyisten sollen sich vom kommenden Frühjahr an auf einer Internetseite der EU-Kommission registrieren lassen. Sie müssen ihre wichtigsten Auftraggeber und die Honorare offen legen. Nur wer in der Liste steht, darf sich weiterhin als offizieller Interessenvertreter an Anhörungen oder Internetkonsultationen beteiligen. Andere Sanktionsmöglichkeiten sieht die neue Regelung nicht vor. Da aber die Konsultationen im Vorfeld von Gesetzesprojekten größen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung haben, dürfte es viele Interessenvertreter überzeugen.

Der Lobbyistendschungel in Brüssel ist berüchtigt. Mehr als 15.000 Interessenvertreter und Verbände werben um die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger in Kommission, Rat und Parlament. Bei einigen wie Greenpeace oder dem Europäischen Unternehmerverband ist klar auszumachen, für wen sie arbeiten und für welche politischen Ziele sie sich einsetzen. Bei anderen wechselt die Rolle je nach Auftraggeber. Viele Einzelkämpfer sind als Journalisten akkreditiert und arbeiten gleichzeitig für Firmen oder Verbände. Sie werden sich wohl kaum auf der neuen Liste outen. Der zuständige Kommissar Siim Kallas machte denn auch gestern deutlich, dass ihm eine gesetzlich bindende Regelung lieber gewesen wäre. Doch eine Analyse zeigte, dass die Gesetze in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu stark voneinander abweichen. Nur in Polen und Litauen gibt es eine Registrierungspflicht für Lobbyisten. „Wir müssten also eine sehr komplizierte Verflechtung von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht hinbekommen. Das wäre in der Amtszeit dieser Kommission nicht mehr zu schaffen“, bedauert Kallas.

Im Frühjahr 2009 soll überprüft werden, ob die freiwillige Registrierung funktioniert. Sollte sich der Dschungel bis dahin nicht gelichtet haben, müsste nach der nächsten Europawahl ein Gesetz eingebracht werden. Die EU-Kommission erwartet, dass Parlament und Rat ebenfalls ein Register anlegen.

Problemfälle gibt es mehr als genug. So deckte die Lobby-Kontrollorganisation Corporate Euorpe Observatiory (CEO) auf, dass Etienne Davignon im Vorstand des Energiekonzerns SUEZ sitzt, der in der Subsahara Geschäfte mit Wasser- und Elektrizitätsversorgung und Müllbeseitigung machen will. Gleichzeitig berät Davignon Entwicklungskommissar Louis Michel – über die Rolle der Privatwirtschaft für die wirtschaftliche Entwicklung im südlichen Afrika. Sanktionen braucht er durch die neue Regelung nicht zu fürchten, denn offiziell wirkt er an Konsultationen zur Gesetzgebung gar nicht mit

Greenpeace deckte kürzlich auf, dass drei Kommissionsmitarbeiter, die an der Chemikaliengesetzgebung mitarbeiteten, vorher auf der Gehaltsliste von Chemieunternehmen standen. Einer von ihnen arbeitet nun beim Europäischen Chemieverband. Auch bei solchen Interessenvermischungen hilft ein Register nicht – egal ob freiwillig oder gesetzlich vorgeschrieben.

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