Resozialisierung durch Knast

Nach dem Siegburger Häftlingsmord plant CDU-Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter ein neues Jugendgefängnis. Schwerpunkt ist die Unterbringung in Einzelzellen

VON CHRISTIAN BECKER

„Entschiedenheit und Konsequenz“ – das sind für Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) Grundpfeiler des Jugendstrafvollzugs in NRW. Dazu beschloss das Kabinett am vergangenen Dienstag einen neuen Gesetzesentwurf für den Jugendstrafvollzug.

Nachdem im November 2006 ein 20-jähriger Häftling der Justizvollzugsanstalt Siegburg in seiner Zelle von Mithäftlingen zu Tode gefoltert wurde, sieht das Gesetz die Unterbringung der Gefangenen in Einzelzellen vor – und betont die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung. „Für die Gesellschaft bedeutet der Gesetzentwurf Schutz und Sicherheit. Für die jungen Gefangenen bedeutet er Förderung, Erziehung und klare Perspektiven“, ist sich die Ministerin sicher. Aus Sicht des rechtspolitischen Sprechers der SPD, Frank Sichau, ist die Einzelunterbringung „aus Gründen der Gewaltprävention unabdingbar“. Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Monika Düker kritisiert hingegen: „Einzelunterbringung kann sinnvoll, aber nicht der Kernpunkt eines modernen Jugendstrafvollzugs sein.“

In Wuppertal wird ab Anfang 2008 eine neue geschlossene Jugendstrafvollzugsanstalt mit 500 Plätzen für schätzungsweise 60 bis 70 Millionen Euro gebaut. Neben Unterkunfts- und Verwaltungsgebäuden soll es Ausbildungsbetriebe, Unterrichtsräume, Werkstätte und Sporteinrichtungen geben. Die Häftlinge würden tagsüber in Wohngruppen mit Gemeinschaftsräumen und Teeküchen unter therapeutischer Betreuung leben, sagt der Sprecher des Justizministeriums, Ralph Neubauer. Durch gemeinsamen Sport sowie Musik-AGs und Kreativwerkstätten werde soziales Denken gefördert.

Allzu „kuschelig wird es in Wuppertal aber nicht“, macht Neubauer deutlich – schließlich handele es sich um ein Gefängnis. Im Klartext: Die geforderte „Entschiedenheit und Konsequenz“ soll nicht zu kurz kommen. Aus Sicherheitsgründen werden die Insassen in Einzelzellen untergebracht. Ausnahmen gibt es nur unter besonderen Umständen, etwa einer bestehenden Suizidgefahr . Während der Ruhezeiten werden die Etagen abgeschlossen. Tagsüber in der Wohngruppe, nachts in der Einzelzelle, so das Konzept. Düker lehnt dies strikt ab – vor allem die monatlich auf vier Stunden begrenzte Besuchszeit wirke der Resozialisierung entgegen. Gerade Außenkontakte seien wichtig. „Hier müsse es zumindest Raum für Ausnahmeregelungen geben“, sagt Sichau.

Bei dem Bau der Anstalt in Wuppertal wolle man sich laut Neubauer an dem Jugendgefängnis in Heinsberg orientieren. Da dort durch Anbau 240 weitere Plätze entstünden, könne man alle Gefangenen in Einzelzellen unterbringen und die Trennung von Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug umsetzen. Die 333 jugendlichen Insassen aus Siegburg sollen in Wuppertal untergebracht und Siegburg geschlossen werden. NRW hat dann fünf Jugendgefängnisse: Neben Wuppertal und Heinsberg gibt es Anstalten in Iserlohn, Herford und Hövelhof. „Einzelheiten für Wuppertal“ müssten jedoch noch festgelegt werden, so Neubauer. Düker hält der Regierung deshalb Konzeptionslosigkeit vor: „Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept, in das auch die Möglichkeit der Haftvermeidung stärker einbezogen wird.“