Ausnahmen als Regel

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Die Ministerpräsidenten der Länder haben eine einheitliche Linie zu Rauchverboten in Gaststätten verpasst. Bei einem Treffen in Berlin versprachen sich die Regierungschefs zwar mehrheitlich, die scharfen Verbote umzusetzen, die ihre Gesundheitsminister empfohlen hatten. Jedoch behielten sich einige Länder vor, laxere Regelungen zu treffen. Da sich darüber hinaus kein Landesparlament um den Beschluss scheren muss, wird der Nichtraucherschutz in der Gastronomie von Land zu Land unterschiedlich aussehen.

Nach dem Treffen der Länderchefs sieht der Flickenteppich etwa so aus: Eine Ländergruppe will, wie es die Gesundheitsminister empfohlen haben, den Qualm in allen Gaststätten verbieten – unabhängig von Typ und Größe und nur mit der Ausnahme von komplett abgetrennten Raucherzimmern. Dazu gehören Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Einige Länder unterstützen diese scharfe Linie und wollen nur kleine Extrawürste braten. Es gebe Sonderwünsche für Festzelte in Bayern und Wasserpfeifenstuben in Hessen, sagte der Niedersachse Christian Wulff (CDU), der der Ministerpräsidentenrunde vorsitzt.

Wulff selbst zählt zu den Länderchefs, die den Wirten lediglich auferlegen wollen, ihre Gaststätte durch ein großes „R“ zu kennzeichnen – dann darf weitergeraucht werden. Auch Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste Land, favorisiert diese Variante. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) spottete, das „R“ sei „eine sehr passive Form des aktiven Nichtraucherschutzes“.

Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger (CDU) sagte, er selbst stehe Ausnahmen distanziert gegenüber. Ob es Raucherkneipen gebe, müsse er aber mit der FDP besprechen. Die Liberalen regieren in Baden-Württemberg mit, ebenso wie in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Im Kampf ums Rauchen sind sie zu den wichtigsten Verbündeten der Zigarettenindustrie geworden. Unklar ist die Lage noch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, wo sich die großen Koalitionen aus SPD und CDU nicht einig sind. Bremen und das Saarland liebäugeln damit, kleine verrauchte Eckkneipen zuzulassen, in denen der Wirt selber bedient. Insgesamt ist aber die Zahl der Länder, die für scharfe Rauchverbote in Gaststätten sind, gewachsen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte, er sei persönlich davon überzeugt, dass es in einigen Jahren nirgendwo mehr Ausnahmen geben werde.

Einigkeit herrscht nach Angaben Wulffs und Wowereits darin, das Rauchen in Discos ausnahmslos zu verbieten. Auch in Ämtern, Kindergärten, Schulen, Unis, Kinos, Theatern und Museen soll der Qualm geächtet werden. In Gefängnissen, Jugend- oder Pflegeheimen sollen Ausnahmen möglich sein.

Weiter möglich ist, dass die Qualmgegner im Bundestag doch noch versuchen, ein Bundesgesetz auf den Weg zu bringen, das Rauchen in allen deutschen Gaststätten verbietet. Ein erster Versuch dazu scheiterte im Dezember an Bedenken von Innen- und Justizministerium: Das Gaststättenrecht falle nicht in Bundes-, sondern in Landeszuständigkeit. Damit geben sich jedoch die Qualmgegner in der SPD nicht zufrieden. Sie halten weiter an ihrer Rechtsauffassung fest, dass der Gesundheits- oder der Arbeitsschutz ein Bundesgesetz rechtfertige. Erst diese Woche drohten sie, im Bundestag quer durch alle Fraktionen eine Mehrheit für strikte Rauchverbote zu suchen.