Entscheidungsschlacht in Kinshasa

Schwere Kämpfe in Kongos Hauptstadt zwischen der Armee und der Miliz des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba fordern zahlreiche Opfer. Bembas Kämpfer erobern sogar kurzzeitig das Stadtzentrum, er selbst flüchtet in Südafrikas Botschaft

AUS GOMA DOMINIC JOHNSON

Die beiden mächtigsten Politiker der Demokratischen Republik Kongo, Präsident Joseph Kabila und Exvizepräsident Jean-Pierre Bemba, haben mitten in der Hauptstadt Kinshasa die Entscheidungsschlacht gesucht. Die schwersten Kämpfe seit den Wahlen 2006 forderten zahlreiche Opfer und hinterließen eine Spur der Verwüstung.

Am Donnerstagmittag waren die Milizen des Exvizepräsidenten von ihren Stellungen um die Residenz Bembas am Kongo-Fluss ausgeschwärmt, begleitet von intensiven Schusswechseln mit der Regierungsarmee. Bis zum Abend übernahmen sie die Kontrolle über das Stadtzentrum. In einem Gebiet, wo sich auf engstem Raum der Hafen, der Bahnhof, das UN-Hauptquartier, drei Botschaften sowie zahlreiche Ministerien und Bankenzentralen befinden, rannte nach Berichten von Augenzeugen die Polizei vor den Bemba-Soldaten davon. Auch die reguläre Armee konnte nichts ausrichten.

Der Vormarsch Richtung Hafen löste Spekulationen aus, Bemba würde bewaffnete Kräfte aus dem Nachbarland Kongo-Brazzaville über den Fluss holen und versuchen, in Kinshasa die Macht zu ergreifen. Im gesamten Zentrum wurde gekämpft. Zahlreiche Zivilisten wurden durch Querschläger verletzt. Die Soldaten der UNO griffen nicht ein. Sie evakuierten 637 Menschen aus umliegenden UN-Büros und Geschäftsgebäuden und brachten sie in ihr Hauptquartier.

Bemba selbst verzog sich am Donnerstagabend in die südafrikanische Botschaft und rief dazu auf, „dass jede Seite auf ihre ursprünglichen Stellungen zurückkehrt“. Aber stattdessen startete gestern im Morgengrauen die Präsidialgarde eine Großoffensive. Ihre Panzer rollten durch die Hauptstraßen und die Armee übernahm wieder die Kontrolle über das Zentrum. Die Bemba-Milizen flohen in Armenviertel, wo sie breite Sympathien genießen. Selbst die Luftwaffenbasis Ndolo, wo 2006 die Bundeswehr stationiert war, soll kurzzeitig an die Milizen gefallen sein.

„Erst hat die Polizei in die Luft geschossen, dann gab es schweres Maschinengewehrfeuer“, berichtet Rémy Massamba, Generalsekretär der Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und sozialen Fortschritt), aus dem Mittelklasseviertel Limete. Soldaten haben im Stadtzentrum massiv geplündert, berichten Rundfunksender.

Von Dialog zwischen Regierung und Bemba ist keine Rede. Am Mittag bezichtigte die Regierung Bemba des „Hochverrats“ und kündigte an, er werde per Haftbefehl gesucht. Der Staatsrundfunk warnte vor „als Zivilisten verkleideten Banditen“ und vor Bemba-Milizen namens „Rote Armee“ oder „Rote Ameisen“. Dolly Ibefo von der Menschenrechtsorganisation VSV (Voix des Sans-Voix) warnt: „Wir wissen nicht, was mit den Bemba-Milizen passiert ist. Vielleicht wurden viele getötet. Die Armee lässt uns nicht ins Zentrum.“

Auslöser der Krise ist der Umstand, dass in der Allparteienregierung der Warlords 2003 bis 2006 Kongos frühere Rebellenführer Bemba und Azarias Ruberwa Vizepräsidenten wurden und das Recht auf eine private Garde in Kinshasa erhielten, ebenso wie Staatschef Kabila. Die von Bemba lieferte sich im August 2006 schwere Kämpfe mit Kabilas Präsidialgarde.

Nach den Wahlen im Oktober 2006, die Bemba mit 42 Prozent der Stimmen gegen Joseph Kabila mit 58 Prozent verlor, sollten Bembas und Ruberwas Garden aufgelöst werden. Am 6. März stellte Kongos Armeeführung Ruberwa und Bemba ein entsprechendes Ultimatum. Ruberwa ist dem gefolgt, Bemba nicht: Er fürchtet, Kabila wolle ihn umbringen lassen. Viele der Bemba-Milizen in Kinshasa sind einstige Buschrebellen aus dem Norden des Kongo. Sie benehmen sich auch in Kinshasa wie Buschkämpfer. Ihr Blitzkrieg im städtischen Dschungel von Kinshasa dürfte ihr letzter gewesen sein.

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