Petition: Drei Monate Praktikum – dann Job

Opposition und 60.000 Petenten fordern mehr gesetzlichen Schutz für ausgebeutete Praktikanten. Arbeits- und Bildungsministerium wollen erst mal den Aufschwung abwarten – auch bei der Regierung arbeiten Praktikanten für lau

BERLIN taz ■ Im Petitionsausschuss des Bundestags geht es gesittet zu. So gesittet, dass man meinen könnte, die Probleme der Berufseinsteiger seien nur geträumt. Dagegen aber spricht der Anlass der Anhörung: Über 60.000 BürgerInnen haben eine Petition beim Bundestag unterschrieben, die den Gesetzgeber auffordert: Begrenzt Praktika auf drei Monate, sorgt für eine Vergütung von mindestens 300 Euro pro Monat und definiert den Begriff Praktikum strenger. Verhindert Missbrauch!

Die Ausschussvorsitzende erteilt das Wort: Bitte, Herr Rudolf, schildern Sie das Problem. Und Herr Rudolf von der DGB-Jugend schildert und schildert. Als da wären: junge Hochschulabsolventen, die nur Praktikastellen finden. Eine nach der anderen. Unter- oder gar nicht bezahlt. Tendenz in den letzten Jahren steigend. Mehrheitlich Geistes- und Sozialwissenschaftler, aber auch viele Wirtschafts- und Naturwissenschaftler plagen sich beim Berufseinstieg ab und schuften ohne Sozialversicherung und Zukunftsaussicht.

Bettina König von Fairwork, einem Verein, der für die Rechte von Praktikanten kämpft, steuert einige deftige Beispiele bei. Da ist das Übersetzungsbüro, das Muttersprachler als unbezahlte Praktikanten zu Hause arbeiten lassen will. Da ist der Praktikant, der sich für eine Abfallfirma 60 Stunden die Woche abrackert. Über 20 Mails, die solche Arbeitsverhältnisse schildern, bekommt Fairwork pro Woche. Ihre Schlussfolgerung: „Berufsanfänger müssen durch die Gesetzgeber geschützt werden, weil ihre Position so schwach ist.“

Staatssekretär Rudolf Anzinger vom Arbeitsministerium ist sich dagegen nicht so sicher, ob es wirklich ein größeres Problem gibt. Er teilt die Praktikanten in drei Gruppen ein: Schnupperpraktikanten, Lernpraktikanten – und dann die Missbrauchsfälle, in denen Praktika Arbeitsverhältnisse verdecken. Aber: Bis die Ergebnisse der Studie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vorliegen, will er sich nicht festlegen. Und Staatssekretär Andreas Storm vom Bildungsministerium verweist auf die Konjunktur: Der Arbeitsmarkt für Akademiker ziehe gerade wieder an.

Gegen die Konjunkturabhängigkeit des Problems spricht allerdings nicht zuletzt die kürzlich erschienene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur. Das IAB hat herausgefunden, dass gerade einmal 2,3 Prozent aller Stellen an Praktikanten vergeben werden. In großen Betrieben sind es sogar noch weniger.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring meint daher, dass Aufklärungsmaßnahmen und Gütesiegel, wie sie das Arbeitsministerium fordert und umsetzt, nicht ausreichen. Damit sich auch die freie Wildbahn der Bundestag-Sittlichkeit annähert, fordert er vom Arbeitsministerium einen Zeitplan für eine rechtliche Regelung. Und bitte, Herr Müntefering, fragt er: Wie vereinbaren Sie eigentlich Ihr Gütesiegel-Engagement damit, dass auch in Bundesministerien Praktikanten für nichts schuften? ANNEGRET NILL