Beginn einer neuen Ära auf der Insel

Die langjährigen Erzfeinde Ian Paisley, Chef der Democratic Unionist Party, und Gerry Adams, Sinn-Féin-Präsident, einigen sich auf die Bildung einer gemeinsamen nordirischen Regierung. Sie soll bereits im Mai ihre Arbeit aufnehmen

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Nordirland bekommt eine neue Regierung. Zwar hat sie ihre Geschäfte gestern noch nicht aufgenommen, wie es das „unverrückbare Ultimatum“ des britischen Nordirlandministers Peter Hain verlangt hatte, aber am 8. Mai soll es so weit sein. Darauf einigten sich gestern der protestantische Pfarrer Ian Paisley, Chef der Democratic Unionist Party (DUP), und Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Der 80-jährige Paisley wird dann nordirischer Premierminister, Sinn-Féin-Vize Martin McGuinness sein Stellvertreter.

Zwar ist das Wort „historisch“ bei Entwicklungen in Nordirland inflationär gebraucht worden, doch das gestrige Treffen zwischen Paisley und Adams ist tatsächlich ein historisches Ereignis. Bislang hatte Paisley sich geweigert, sich im selben Raum wie Adams aufzuhalten. Nun hat er sich sogar mit seinem Erzfeind fotografieren lassen.

Paisley und McGuinnes werden umgehend Verhandlungen für ein gemeinsames Regierungsprogramm aufnehmen. Einigkeit herrscht in dem Punkt, dass die für 1. April von der britischen Regierung geplanten Wassergebühren in Nordirland nicht erhoben werden. Paisley ist optimistisch, dass man weitere Gemeinsamkeiten findet. „Ich glaube, dass wir vor enormen Möglichkeiten für unsere Provinz stehen“, sagte er. „Die nordirischen Politiker dürfen nie die Opfer des dunklen Zeitalters vergessen, aus dem wir nun, so Gott will, heraustreten. Wir dürfen uns nicht durch die berechtigte Abscheu vor dem Horror und den Tragödien der Vergangenheit abhalten lassen, eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu schaffen.“

Adams fügte hinzu: „Die Einigung ist der Beginn einer neuen politischen Ära auf unserer Insel.“ Allerdings sei er enttäuscht, dass dieser Beginn erneut verschoben werden musste. Das lag an Paisleys Schwierigkeiten, den Extremisten in der eigenen Partei eine Regierung mit Sinn Féin schmackhaft zu machen. Zahlreiche Politiker der DUP-Führung lehnten das grundsätzlich ab. Doch auf einem Sonderparteitag am Samstag setzte Paisley einen Kompromiss durch. Seine Partei habe sechs Wochen Zeit, sagte Paisley, um zu kontrollieren, ob Sinn Féin die nordirische Polizei akzeptiert und unterstützt. Das hatte sich Adams im Januar von seiner Partei absegnen lassen, was bei der Basis jedoch umstritten war, weil die Polizei im Laufe des 30-jährigen Konflikts oft gemeinsame Sache mit protestantischen Terrorbanden gemacht hatte.

Bei den Wahlen Anfang des Monats wurde die DUP auf protestantischer Seite und Sinn Féin auf katholischer Seite abermals zur jeweils stärksten Partei gewählt. Laut Abkommen zwischen London und Dublin sowie den nordirischen Parteien müssen beide deshalb mit den kleineren Parteien eine gemeinsame Regierung bilden. Dafür ebneten Paisley und Adams gestern den Weg im Belfaster Schloss Stormont, dem alten und neuen Sitz der Regierung. Sie war vor knapp fünf Jahren aufgelöst worden, weil Sinn Féin angeblich einen Spionagering unterhielt. Seitdem gab es Bemühungen, Parlament und Regierung wiederzubeleben, doch sie wurden jedes Mal von Paisley torpediert. Großbritannien hatte gedroht, das Parlament endgültig aufzulösen und die Abgeordnetendiäten zu streichen, falls die Verhandlungen diesmal erneut scheiterten.