Eine Stadt muss ins Grüne fahren

Die Umweltzone kommt – manch Oldtimerfan sieht jetzt schon seine Felle davonschwimmen. Andere Autobesitzer haben hingegen längst vorgesorgt

VON SEBASTIAN KRETZ

Dieter Schelske kann sich richtig in Rage reden, wenn das Gespräch auf die Abgasplakette kommt, die Berliner Autofahrer ab 2008 an ihre Windschutzscheibe kleben müssen. „Diese Verordnung ist unausgegoren und wird erfolglos bleiben“, schimpft der stämmige Mann dann. Einen „Schildbürgerstreich“ spiele der Senat seinen Bürgern mit der neuen Feinstaubverordnung, die einer „Ausweisung“ gleichkomme, legt Schelske nach.

Schelske gehört als Präsident des Oldtimer-Klubs „Victory-Team“ zu der Gruppe der Autobesitzer, denen der Berliner Senat mit der Einführung der innerstädtischen Umweltzone im kommenden Jahr den Kampf angesagt hat. Denn Schelske befürchtet ein allgemeines Fahrverbot in der Umweltzone für die alten Karossen. Sein Mercedes lief 1971 vom Band, da redete noch keiner von Feinstaub, Katalysatoren gab es nicht und erst recht keine Umweltzonen in Innenstädten. Die alten Karossen sind daher so schmutzig, dass sie es nicht einmal auf die rote Abgasplakette bringen, mit der noch bis 2010 Autofahren in der Umweltzone erlaubt ist.

Zwar sieht der Senat neben Ausnahmen für Behinderte und Spezialfahrzeuge auch für Oldtimer eine Sonderregelung vor. Autos mit dem sogenannten historischen Kennzeichen sollen jährlich 700 Kilometer innerhalb des S-Bahn-Rings fahren dürfen – auch ohne Plakette. Der 56-jährige Automobilist traut dem Leitfaden der Stadtregierung jedoch nicht: „Im Senat können sie sich nicht einigen, zum Schluss dürfen alte Autos womöglich gar nicht mehr in der Umweltzone fahren.“ Zudem müsse Schelske, der hauptberuflich eine Sprachschule für Unternehmen betreibt, seinen Oldtimer gelegentlich auch als Geschäftswagen nutzen. „Wenn ich nicht im Zentrum fahren darf, werde ich gegen den Senat klagen“, grollt der Autonarr.

Dabei sieht es gar nicht so schlimm aus für die Berliner Autofreunde: „Praktisch alle seit Mitte der Achtzigerjahre gebauten Benziner werden mindestens die rote Abgasplakette erhalten“, sagt Bernd Lehming von der Senatsverwaltung für Umwelt. Dasselbe gelte für die meisten Dieselfahrzeuge, wenn sie der Euro-2-Norm entsprächen oder mit einem Partikelfilter ausgerüstet seien. Zudem könnten die Straßenverkehrsbehörden der Bezirke in Härtefällen zusätzliche Ausnahmen genehmigen.

Automobilist Schelske wirkt mit seinem stattlichen Bauch und der unauffälligen Brille nicht wie der ungestüme Herrenfahrer, der freie Fahrt um jeden Preis verlangt. Aber ihm geht es ums Prinzip: „Es kann nicht sein, dass die Autofahrer für alles verantwortlich gemacht werden.“ Der Löwenanteil des Feinstaubs habe ganz andere Ursachen. „Ich bin nicht gegen Umweltschutz, aber ich will mit meinem Auto fahren können, wohin ich will.“ Alles andere sei Enteignung.

Schelskes Empörung bleibt ein Sturm im Wasserglas: Er hat wohl nicht mehr als eine Kilometerbeschränkung für seinen Oldtimer zu befürchten. Empfindlicher könnte das Fahrverbot jedoch Unternehmen treffen, die einen großen Fuhrpark unterhalten. Sie können nicht mit Ausnahmen für ihre schmutzigen Autos rechnen.

Bei der Berliner Autovermietung Robben und Wientjes hat man allerdings vorgesorgt. „Wir müssen kein einziges Fahrzeug umrüsten lassen“, sagt Dietmar Robben, Geschäftsführer und Mitinhaber des Autoverleihers. Die genaue Anzahl seiner Fahrzeuge will der Unternehmer nicht preisgeben, es sei jedoch eine große dreistellige Zahl. „Wir haben 2004 begonnen, alle unsere Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern auszustatten. Außer der Gebühr für die Plaketten kostet uns die Umweltzone nichts“, erklärt Robben.

Wer bereits ein sauberes Auto fährt, kann sich seit Anfang März mit der Plakette ausrüsten. Allein die Berliner Abteilung des TÜV Rheinland hat schon jetzt über 3.000 Umweltmarken zum Preis von je 5 Euro verkauft. „Vor allem Privatleute kaufen die Plakette schon vorsorglich bei uns“, sagt Andreas Röse vom TÜV. Unternehmen, die größere Fuhrparks unterhielten, würden sich bei privaten Werkstätten mit den Aufklebern eindecken. Umgerüstete Dieselfahrzeuge seien jedoch eher selten, sagt Röse. „Vor allem bei seltenen und ausländischen Autos sollte man ohnehin warten, bis die speziellen Rußfilter anerkannt sind“, erklärt Röse. Erst dann könnten sie die Abgasplakette erhalten.

Wer sie nicht hat und dennoch innerhalb des S-Bahn-Rings unterwegs ist, muss zahlen. 40 Euro soll das Umweltknöllchen kosten. Die Umrüstung lohnt sich also. Zudem gilt die Abgasmarke auch für die knapp dreißig Umweltzonen, die derzeit in anderen deutschen Ballungsgebieten entstehen. In Stuttgart ist die Plakette schon ab Anfang Juli Pflicht, zeitgleich mit der in Berlin soll 2008 im Ruhrgebiet die größte deutsche Umweltzone entstehen.

Im internationalen Vergleich ist die deutsche Abgasplakette ohnehin ein Schnäppchen: Während sie einmalig 5 Euro kostet und bundesweit gültig ist, müssen die Londoner für jede einzelne Fahrt ins Zentrum umgerechnet 12 Euro zahlen. Kameras erfassen in der englischen Hauptstadt praktisch jedes Auto, Drückeberger müssen rund 220 Euro Buße zahlen.

Eine solche City-Maut wird es in Berlin jedoch nicht geben. „Dafür besteht keine Rechtsgrundlage“, sagt Martin Lutz, Experte für Luftreinhaltung bei der Senatsverwaltung für Umwelt. Allein die nötige Kameraüberwachung sei wegen des Datenschutzrechts nicht möglich. Zudem habe eine solche Lösung auch negative Auswirkungen: Sie treibe die Menschen aus der Innenstadt in die großen Einkaufszentren am Stadtrand, erklärt Lutz.

Auch eine Ausweitung der Umweltzone auf das gesamte Berliner Stadtgebiet sei wegen der geringen Verkehrsdichte in den Außenbezirken nicht geplant. Wer sein Auto in Zukunft dort stehen lassen muss, um in die Umweltzone zu gelangen, kann sich ein Beispiel an Dieter Schelske nehmen. Der hartgesottene Automobilist nimmt bei starkem Verkehr auch mal die U-Bahn.