Ökonomen rechnen skurril

Unternehmensberater von McKinsey erklären, dass die Klimaschutzziele der EU 1,1 Billionen Euro kosten – und irren. Sie unterschlagen in ihrer Bilanz die Einsparungen

FREIBURG taz ■ Zahlenjongleure haben Hochkonjunktur. Gerade hatte noch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet, was ein Klimawandel die Deutschen kosten dürfte – nämlich 800 Milliarden Euro bis 2050. Nun hält die Unternehmensberatung McKinsey mit einer Studie zu den Kosten des Klimaschutzes dagegen. Ihr Fazit: Bis zu 1,1 Billionen Euro werde die EU aufwenden müssen, wenn das Ziel der Staats- und Regierungschefs umgesetzt wird, den Kohlendioxidausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken.

Wird Klimaschutz also richtig teuer? Die Tageszeitung Die Welt, die exklusiv von McKinsey über die Studie informiert worden war, erweckte diesen Eindruck gestern. Nur: In dieser Schlichtheit gibt die Studie das nicht her.

Zwar weigert sich McKinsey, die Untersuchung zu publizieren. Immerhin ist aber zu erfahren, dass die Zahl von 1,1 Billionen Euro lediglich die erforderlichen Ausgaben, also die Investitionen markiert. Die sich ergebenden Einsparungen haben die Berater nicht gegengerechnet. Beispiel Wärmedämmung von Gebäuden: Wer sein Haus energetisch saniert, kann für jede eingesparte Tonne Kohlendioxid sogar einen Nettogewinn von bis zu 200 Euro erzielen. Obwohl die Ökonomen diesen finanziellen Gewinn durchaus beschreiben, klammern sie ihn in ihrer Bilanzierung aus.

Darüber hinaus bleiben die Grundannahmen des McKinsey-Szenarios reichlich diffus. Sie klären nicht darüber auf, dass steigende Preise von Öl und Gas Investitionen lukrativ machen können, die es zuvor nicht waren. Auch der Preis des Kohlendioxids im Emissionshandel kann über die Wirtschaftlichkeit von Klimaschutzinvestitionen entscheiden. Und der Autofahrer, der seinen Schlitten gegen eine Monatskarte des Nahverkehrs eintauscht, kann oft ebenfalls Geld sparen.

Forschungsinstitute, die im Klimaschutz seit Jahren profiliert sind, bleiben bei so viel Unklarheit entsprechend wortkarg: „Wir haben von McKinsey nichts in der Hand, deshalb können wir zu der Studie keine Aussagen machen“, hieß es zum Beispiel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Unterdessen berichtete die Financial Times Deutschland, dass die Bundesregierung von den CO2-Emissionsrechten ab dem kommenden Jahr einen größeren Teil als bisher vorgesehen zurückhalten will. Von dem deutschen Kontingent in Höhe von 453 Millionen Tonnen sollen 27 Millionen Tonnen als Reserve für Neuanlagen und zur Finanzierung der Kosten des Emissionshandels dienen.

Damit steigt der Druck auf die Industrie, stärker in Klimaschutz zu investieren. Die Unternehmen, die an dem Emissionshandel teilnehmen, sehen das jedoch offenkundig wenig dramatisch: Der Börsenpreis der Tonne Kohlendioxid für die Jahre ab 2008 blieb gestern mit 17 Euro praktisch unverändert.

Zugleich kamen neue Warnungen aus der Wissenschaft: Der Klimawandel könnte eine Region der Erde besonders hart treffen, von der man es bisher nicht vermutet hatte: die Tropenwälder. Diese könnten schnell zur Savanne werden, so fanden jetzt Geowissenschaftler der University of Wisconsin heraus. BERNWARD JANZING