Rückschritt in Sachen Frau

Ab April wird das Netzwerk „Gender und Kultur“ an der Universität der Künste abgewickelt. Dabei hat der Geschlechterdiskurs die Wahrnehmung der Kunst in den letzten Jahren entscheidend verändert

„Es gibt keine Professur für Genderforschung an der UdK“

VON WALTRAUD SCHWAB

Die Universität der Künste ist dabei, das fakultätenübergreifende Netzwerk „Gender und Kultur“ abzuwickeln. Ende März läuft die Finanzierung des Netzwerks, auch „Gendernet“ genannt, aus. Damit wird eine 30-jährige Tradition, die eine in der Universität verankerte Auseinandersetzung mit Frauen- und Geschlechterthemen in der Kunst einbrachte, gekappt. Dies, obwohl die Fragen, die feministische Theoretikerinnen ab den 70er-Jahren und GeschlechterforscherInnen ab den 90er-Jahren an die künstlerische Produktion und Rezeption stellten, zu veränderten Wahrnehmungen in der Kunst führten. Der Blick auf die Frau, den Mann, den Menschen ist seither nicht mehr derselbe.

Im Netzwerk „Gender und Kultur“, das Ende 2001 ins Leben gerufen wurde, gingen frühere Projekte wie das 1995 gegründete Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung auf. Aufgabe des Gendernet ist es, „das kritische Nachdenken über gesellschaftliche und politische Machtverhältnisse, die in der Unterscheidung der Geschlechter symptomatisch werden, zu fördern“, sagt Nanna Lüth. Zuletzt wurden in Seminaren etwa die Aktfotografie auf Machtverhältnisse hin untersucht; die Geschlechterverhältnisse in der Kriegsberichterstattung analysiert. Die Geschlechterspannung im Theater wurde unter die Lupe genommen; die Repräsentanz von Frauen in der Werbung in Bezug gesetzt zu Alter, Sexualität und Ethnizität. In interdisziplinären Diskussionen und Ausstellungen ging es um Fragen wie: Was ist obszön? Wie hat Einstein die Wahrnehmung beeinflusst? Warum erlebt die Kunst in den letzten Jahren eine Pornografisierung? Das sind nur einige Beispiele.

Namhafte ProfessorInnen der vier UdK-Fachbereiche Bildende Kunst, Gestaltung, Musik, Darstellende Kunst haben das Gendernet unterstützt. Darunter die Kunstwissenschaftlerin Renate Berger, die Architektin Kerstin Dörhöfer, die Künstlerin Katharina Sieverding.

„Beim Gendernet geht es um Verankerung und Verstetigung des Genderaspekts an der UdK“, sagt Lüth. Sie besetzt noch bis Ende März eine der zwei halben Stellen, mit denen das Projekt vom senatsfinanzierten Berliner Programm zur Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre unterstützt wird. Die UdK stellt die Infrastruktur.

Der Berliner Senat versteht sein finanzielles Engagement als Anschubfinanzierung. Nach fünf Jahren Förderung sei die Hochschule gefordert, das Netzwerk „Gender und Kultur“ selbst weiterzufinanzieren – so die Argumentation des über die Mittelvergabe entscheidenden Gremiums. Das Geld für die zwei halben Stellen ist allerdings weiterhin für die Universität der Künste vorgehalten. Da allen Beteiligten der UdK aufgrund der angespannten Haushaltslage klar war, dass eine Weiterfinanzierung des „Netzwerkes Gender und Kultur“ durch die Hochschule schwerlich möglich sein wird, gab es eine Verabredung, keine alternativen Projektanträge zu stellen. Stattdessen wollte man nach Wegen suchen, wie das Netzwerk mit neuer Schwerpunktsetzung doch weitergefördert werden kann.

Nach Informationen von Gendernet-Mitarbeiterinnen war es jedoch just die Frauenvertreterin der UdK, Sigrid Haase, die eine Gruppe von elf Künstlerinnen unterschiedlicher Disziplinen dennoch ermutigte, einen alternativen Antrag zu stellen. Sie selbst hat in dem Gremium, das die Mittel vergibt, beratende Funktion. Die elf Künstlerinnen bekamen am Ende den Zuschlag für die Stelle. Sigrid Haase äußert sich – trotz mehrmaliger Nachfrage der taz – nicht zum Thema.

Die Künstlerinnengruppe will sich das Geld nun teilen und in einer Art „stiller Post“ interdisziplinär und mitunter auch als Gruppe an der UdK unterrichten. „Als wir den Antrag stellten, wussten wir nicht, dass das Gendernet damit abgewickelt wird“, sagt die Designerin Vera Franke, die zur Stillen-Post-Gruppe gehört. „Es war eine offene Ausschreibung.“ Für die elf Frauen ihrer Gruppe ist der Zuschlag eine Chance, an der UdK unterrichten zu können. Die UdK profitiere davon umgekehrt auch, denn natürlich würden sie mehr in die Hochschule reinbringen, als sie bezahlt bekämen.

Linda Hentschel, Kunstwissenschaftlerin an der UdK, die zur Gruppe der Lehrenden gehört, die das Gendernet all die Jahre begleitete, sieht dies anders: „Künstlerinnenförderung ist okay. Aber plötzlich bekommt ein Projekt den Zuschlag, das die Prekarisierung der Beteiligten fördert.“

Für den Erhalt von Gendernet haben sich mittlerweile mehr als 500 WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen aus dem In- und Ausland eingesetzt. Trotzdem sieht der Hochschulpräsident Martin Rennert kaum Chancen. Für ihn lag die Aufgabe des Gendernets darin, die Geschlechterforschung in den Fakultäten zu verankern. Dies sei gelungen, meint er. Lüth widerspricht: „Es gibt keine Professur an der UdK, die auch nur in Teilen für Geschlechterforschung denominiert ist.“

Rennert jedenfalls hat die vier Fakultäten aufgefordert, das Gendernet mitzufinanzieren. Eine Pro-Forma-Geste, denn er sagt auch: „Es würde mich wundern, wenn sie aus ihren Etats etwas herausquetschen“. An der größten europäischen Kunsthochschule gibt es damit ab April keine Einrichtung mehr, die den Geschlechterdiskurs, der einen Paradigmenwechsel in der Kulturtheorie herbeigeführt hat, gezielt weiterführt.