Harte Worte gegen Joseph Kabila

Botschafter der Europäischen Union kritisieren den Militäreinsatz im Kongo letzte Woche als „unangemessen“. Präsident Kabila: im Kongo kein Platz mehr für Konsenssuche

GOMA taz ■ Die Kämpfe in Kongos Hauptstadt Kinshasa haben ein diplomatisches Nachspiel. Der deutsche Botschafter Karl-Albrecht Wokalek wurde gestern in seiner Funktion als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft zwecks Protest ins kongolesische Außenministerium einbestellt, nachdem die 14 in Kinshasa akkreditierten EU-Botschafter scharfe Kritik an der gewaltsamen Zerschlagung der Garde des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba vergangene Woche geübt hatten. Das Vorgehen des Militärs sei „voreilig“ und „unangemessen“ gewesen, erklärten die Botschafter am Dienstag auf einer Pressekonferenz in der deutschen Botschaft. „Die EU verlangt die Respektierung der Menschenrechte“, hieß es weiter.

Ein Sprecher der deutschen Botschaft sagte der taz, man habe im Außenministerium das „kulturelle Missverständnis“ zwischen europäischen und kongolesischen Vorstellungen akzeptabler Kritik ausräumen können. Das ändert nichts daran, dass die EU-Staaten – die zusammen den größten Teil der internationalen Entwicklungshilfe für den Kongo stellen – sehr besorgt sind. Der blutige Armeeeinsatz in Kinshasa habe Kongos Demokratie einen „schweren Schlag“ versetzt, sagte der britische Botschafter Andy Sparks. Der Vertreter der EU-Kommission, Carlo de Filippi, erklärte: „Wenn man Gewalt anwendet, leidet die Demokratie. Wir wollen ein wirkliches Engagement der Regierung für die Rolle einer politischen Opposition sehen.“

Für besondere Aufregung sorgte gestern eine in kongolesischen und internationalen Medien prominent wiedergegebene Äußerung des deutschen Botschafters, wonach die Kämpfe „200 bis 600 Tote“ gefordert hätten. Die deutsche Botschaft stellte gestern gegenüber der taz klar, es seien nicht Tote gemeint gewesen, sondern Opfer insgesamt, also Tote und Verletzte. Doch in Kongos Öffentlichkeit ist der Eindruck geblieben, Deutschland habe einen ansonsten verheimlichten hohen Blutzoll öffentlich gemacht.

Wie viele Tote es gab, bleibt umstritten. Die Menschenrechtsorganisation VSV (Voix des Sans-Voix) sprach gestern von 338 Toten auf der Grundlage der Leichen in Kinshasas Krankenhäusern und forderte eine unabhängige internationale Untersuchung. Grund für die sehr hohen Opferzahlen ist, dass die Armee bei ihrem Kampf gegen die Bemba-Milizen rücksichtlos mit schwerer Artillerie und Raketen um sich schoss, auch auf dicht besiedelte Wohngebiete. Dazu kommen nach Oppositionsangaben Razzien, Plünderungen und Verhaftungen.

Die scharfe europäische Kritik folgt auf harte Worte des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Auf einer Pressekonferenz am Montag rechtfertigte er den Einsatz ohne Abstriche. „Es ging darum, ein für alle Mal die Ordnung wiederherzustellen … um jeden Preis“, sagte Kabila, „egal was die UNO denkt“. Für Verhandlungen und Konsenssuche sei im Kongo kein Platz mehr. „Der Präsident Kabila, den Sie früher kannten, ist heute nicht mehr derselbe. Sie haben einen Präsidenten gekannt, der den Konsens suchte. Jetzt haben Sie einen gewählten Präsidenten vor sich. Ich bin der Garant der Verfassung, und man garantiert die Sicherheit von 60 Millionen Kongolesen nicht durch Verhandlungen.“ DOMINIC JOHNSON