sarrazins o-töne
: Wir sind alle Knut

Man muss ihn einfach mögen. Er sieht drollig aus, ist etwas tapsig auf den Beinen, kurz: Thilo Sarrazin ist ein Typ zum Knuddeln. Außerdem kann der Finanzsenator richtig fest zubeißen. Im Senat zuständig für unbequeme Wahrheiten, hat er den Berlinern schon verklickert, dass sie mit Vorliebe Jogginghosen tragen und die Finanzsituation ihrer Stadt mit der des Jahres 1947 vergleichbar ist. Der neueste verbale Coup Sarrazins lautet: „Knut ist Berlin durchaus ähnlich. Er wird künstlich ernährt und ist auf fremde Hilfe angewiesen.“ Auweia. Hoffentlich wird Thilo jetzt nicht totgespritzt.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Seine Einlassung zum beliebtesten Berliner der Welt ist das Hellsichtigste, was bisher in der irrsinnigen Herumknuterei zu hören war. Mehr noch, Sarrazin geht nicht weit genug. Nicht nur Berlin ist Knut. Wir sind alle Knut. Die Westberliner zum Beispiel tollten jahrzehntelang auf ihrer kleinen Scholle herum. Dass der Rest der Republik ganz anders tickt, lassen manche heute noch gerne an ihrem dicken, öligen Pelz abtropfen. Und wenn sie ausgewachsen sind, als BVG-Busfahrer zum Beispiel, können sie Rüpel mit Riesenschnauze sein.

Auch die rot-rote Koalition ist Knut. Sie tapste nach der Wahl so goldig in jede Wasserpfütze, dass sich die Opposition vor Glück nicht einkriegt, die vor dem Zaun beim Regieren zuschauen muss. Bei starken Schneestürmen lassen sich Eisbären übrigens einfach einschneien und sitzen das Unwetter locker aus. Das macht Klaus Wowereit genauso. Kaum naht ein „Biermann muss Ehrenbürger werden“-Blizzard, steckt der Regierende den Kopf in den Schnee. Verständlich. Denn Wowereit, die Koalition und die Berliner wissen: Knut geht’s gut.

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