Die passende Bilanz zum Börsengang

Bahnchef Hartmut Mehdorn präsentiert der Öffentlichkeit noch ein Rekordergebnis. Damit das so weitergeht, brauche die Bahn schnell private Kapitalgeber. Kritiker glauben dem Zahlenwerk nicht und verweisen auf milliardenschwere Zuschüsse

VON STEPHAN KOSCH

Zu Beginn ein Versprecher in bester freudscher Tradition. „Wir werden international um dieses Eisenbahnsystem beneidigt (!).“ Beleidigt, ging Hartmut Mehdorn wohl durch den Kopf, als er eigentlich „beneidet“ sagen wollte. Denn in der Welt des Bahnchefs gibt es gute Gründe, beleidigt zu sein. Zum Beispiel über die Stiftung Warentest, die pünktlich zur gestrigen Bilanzpressekonferenz der Preisberatung der Deutschen Bahn ein schlechtes Zeugnis ausstellte.

Zu oft scheitern die Bahnangestellten demnach selbst am komplizierten Preissystem der Bahn oder kassieren lieber, als fair über preisgünstigere Alternativen zu informieren. So wurden etwa für bestimmte Reisen 164 statt 56 Euro oder 624 statt 233 Euro verlangt. „Wir nehmen das sehr ernst und gucken uns das an“, sagte Mehdorn, nachdem ihm sein Pressesprecher einen Zettel herübergeschoben hatte. Doch dann kam der Frust durch: „Alle Jahre wieder“ gebe es solche Testergebnisse, die „Extremfälle“ beschrieben, wischte Mehdorn die Kritik weg. „Wer ein Haar in der Suppe finden will, findet auch eins.“

Viel ärgerlicher für Mehdorn dürfte aber die wachsende Kritik am geplanten Börsengang des Unternehmens sein. Dabei legte er gestern der Öffentlichkeit schon wieder eine Rekordbilanz vor: 30 Milliarden Euro Umsatz und ein Betriebsergebnis von 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2006. Die früheren Sorgenkinder, die Güterzüge und der Personenfernverkehr, sind wieder weit im Plus. Dabei habe die Bahn zwar auch von der guten Konjunktur und den Fußballfans profitiert, die zur WM in Deutschland unterwegs waren. Aber dennoch: „Wir haben die Sanierungsphase endgültig abgeschlossen“, sagt Mehdorn. Die Bahn sei 20 Milliarden Euro mehr wert als noch 1999 – „Das Unternehmen ist reif für die Kapitalmarktprivatisierung, die wir 2008 erwarten.“

Und auch diese Bilanz wird dem Bahnchef madig gemacht. Zum Beispiel von dem Bündnis Bahn für alle, einem Zusammenschluss von Gewerkschaftern, Umweltschützern und Globalisierungskritikern, die den Börsengang stoppen wollen. Zwar haben gestern nur ein knappes Dutzend Protestanten den Weg zum Veranstaltungsort gefunden und protestieren vor der Tür, doch ihre Gegenbilanz stört das glitzernde Bild des Börsenkandidaten: 5.000 Kilometer Schiene wurden zwischen 1999 und 2004 stillgelegt, 180.000 Arbeitsplätze im Schienenverkehr abgebaut, 400 Bahnhöfe seit 1994 geschlossen. Dazu kommen knapp 20 Milliarden Euro Schulden, obwohl der Bund 1994 das Unternehmen durch die Übernahme von Krediten über 34 Milliarden Euro entschuldet hatte. „Zieht man die staatlichen Zuschüsse für Schieneninfrastruktur und Nahverkehr von rund 8 Milliarden Euro ab, wird aus dem dicken Plus ein dickes Minus“, sagt Jürgen Mumme, Verkehrsreferent von Robin Wood.

Noch ist offen, ob die Allianz der Mehdorn-Kritiker den Börsengang tatsächlich noch verhindern kann. Mehdorn fand es schon mal vorab „enttäuschend“, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund gegen eine Privatisierung der DB AG ausgesprochen hat. Das ignoriere „blind den partnerschaftlichen Kurs“ und zeuge „vom Glauben an Rezepte aus der Vergangenheit“. In den kommenden Jahren fänden schließlich die großen Übernahmen im weltweiten Logistikmarkt statt. Mit der Kapitalspritze der privaten Investoren könnte Mehdorn da mitspielen, wenn man ihn nur ließe. Bis dahin kann Mehdorn sein Gehalt als Anerkennung des Bundes für seine Arbeit werten: Knapp 3,2 Millionen Euro waren es 2006.

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