Abwärts auf Weltniveau

Große Koalition will Firmensteuer auf internationales Maß senken. Großbritannien und Frankreich kündigen schon weitere Reduzierung an

Hermann Otto Solms empfiehlt Chinas Steuersatz: 25 Prozent für alle Firmen

VON HANNES KOCH

Es ist eine bemerkenswerte Reform, die der Bundestag gestern erstmals debattierte. Die große Koalition plant, die Steuern für Unternehmen zu reduzieren. Der letzte Versuch dieser Art trug im Jahr 2005 dazu bei, dass Kanzler Gerhard Schröder (SPD) die rot-grüne Regierung vorzeitig beendete. Ihm habe die ausreichende Unterstützung der Regierungsfraktionen gefehlt, begründete Schröder die Notwendigkeit, den Bundestag neu zu wählen. Damals sollte die Körperschaftsteuer für Konzerne von 25 auf 19 Prozent gesenkt werden. Schwarz-Rot will den Satz nun auf 15 Prozent verringern.

Und wieder staut sich erheblicher Unmut auf. Die Parlamentarische Linke der SPD – sie vertritt rund ein Drittel der 222 sozialdemokratischen Abgeordneten – fordert, die Reform müsse kostenneutral erfolgen. Die Unternehmen sollen nicht um 5 bis 6 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden, wie es im Entwurf von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorgesehen ist.

Das Missfallen innerhalb der SPD ist so groß, dass Fraktionschef Peter Struck bei der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag die übliche Abstimmung darüber ausfallen ließ, ob der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden soll. Struck befürchtete, dass die Zahl der Gegenstimmen zu groß ausfallen könnte – was ein schlechtes Licht auf den Zusammenhalt der großen Koalition geworfen hätte. Die Parlamentarische Linke wehrte sich nicht gegen dieses Verfahren. Es habe im Vorfeld ausreichend Gelegenheit für Aussprachen gegeben, sagte ein Abgeordneter der taz. Nun wollen die Kritiker ihre Änderungswünsche nach Ostern im parlamentarischen Verfahren vorbringen. Und zwar vorsichtig, denn sie wissen, dass nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sondern auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) die Reform als Symbol für das Funktionieren der Koalition betrachten.

Zur Senkung der Steuersätze einerseits und dem Verschließen von Schlupflöchern andererseits sehe er keine Alternative, sagte Finanzminister Steinbrück während der gestrigen Debatte. Durch abschreckend hohe Steuersätze verleite der deutsche Staat die Unternehmen geradezu, Gewinne ins Ausland zu verlagern, so Steinbrück. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warb darum, die Belastung der Unternehmen in Deutschland auf den „Weltsteuersatz“ zu senken. Inklusive Körperschaft- und Gewerbsteuer würde die Gesamtbelastung deutscher Unternehmen nach der Reform bei knapp 30 Prozent liegen.

Das ist zurzeit guter europäischer Schnitt. Fraglich erscheint allerdings, wie lange noch. Andere Regierungen haben ihrerseits Steuersenkungen angekündigt – auch als Reaktion auf die starke deutsche Reduzierung, so schätzen Ökonomen. Frankreichs scheidender Staatspräsident Jacques Chirac hinterlässt seinen potenziellen Nachfolgern den Auftrag, die Firmensteuer von derzeit gut 34 auf 20 Prozent zu mindern. Und Großbritanniens Finanzminister Gordon Brown peilt 28 Prozent statt heute 30 Prozent an.

Darauf, dass es Spielraum nach unten gibt, wies gestern auch Hermann Otto Solms (FDP) hin. Die aus seiner Sicht zu schwache Reform der großen Koalition kritisierend, empfahl er den chinesischen Steuersatz als Zielmarke: 25 Prozent für alle Firmen habe der Volkskongress dort unlängst beschlossen.Mitarbeit: Dorothea Hahn